Die Bundesregierung und Bayern haben ihren monatelangen Streit über die Grenzkontrollen beigelegt. Der Bund will die Kontrollen an der Grenze zu Österreich trotz der gesunkenen Flüchtlingszahlen fortsetzen, Bayern verzichtet im Gegenzug auf seine angedrohte Verfassungs-klage. Darauf verständigten sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin.
Daraufhin entschied das bayerische Kabinett wie erwartet, die schon fertige Klage gegen den Bund auf Eis zu legen. Ganz grundsätzlich bleibt der Freistaat aber bei seiner Klagedrohung.
Die Bundesregierung will die Kontrollen an der Grenze zu Österreich nun solange fortsetzen, bis der Schutz der EU-Außengrenzen besser funktioniert. «Noch sind wir aber nicht so weit, deshalb bedarf es im Einklang mit europäischem Recht der Fortsetzung nationaler Grenzkontrollen», sagte de Maizière (CDU) in Berlin. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission an diesem Mittwoch eine Verlängerung von Grenzkontrollen über den 12. Mai hinaus empfiehlt.
Wie aus einer gemeinsamen Erklärung der beiden Innenminister hervorgeht, soll die Bundespolizei die Grenzkontrollen «sichtbar und effektiv» fortsetzen, und zwar «lageangepasst und mit ausreichend Personal unterlegt». Sollten vermehrt Flüchtlinge über andere Grenzübergänge kommen, soll die Bundespolizei ihre Beamten entsprechend umsteuern. Bayern verstärkt zudem die Schleierfahndung.
Weiter heißt es in dem Papier, eine «Politik des Durchwinkens» könne nicht hingenommen werden. Die EU-Staaten müssten wissen, wer sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhalte und wer sich nicht gesetzestreu verhalte. Erforderlich sei dafür unter anderem «die unverzügliche Einführung eines Europäischen Ein- und Ausreiseregisters».
Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wertete die Vereinbarung als Sieg über Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und sagte der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwoch), damit sei «das Ende der Willkommenskultur notariell besiegelt». Vor Kabinettsmitgliedern sprach er nach Informationen des Blattes zudem von einem «Dokument der Wende» in der Flüchtlingspolitik.
De Maizière betonte, mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Herrmann seien nun ausgeräumt. «Damit sollte dieser Punkt das Verhältnis der Schwesterparteien nicht belasten», fügte er hinzu.
Seehofer und sein Kabinett hatten in einem Brief an Merkel eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen, eine wirksame Sicherung der EU-Außengrenzen und effektive Kontrollen an den deutschen Grenzübergängen verlangt - und andernfalls mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht. Inzwischen hat aber auch Seehofer eingeräumt, dass sich die Lage «entspannt» habe, unter anderem wegen der faktischen Schließung der sogenannten Balkanroute. Die Zahl neuer Flüchtlinge ist inzwischen drastisch zurückgegangen. In den kommenden Monaten wird allerdings wieder mit einem verstärkten Andrang von Schlepperbooten aus Nordafrika gerechnet.
Die angedrohte Verfassungsklage gegen den Bund wird nach Angaben Herrmanns «in die Schublade» gelegt. «Dort können wir sie aber jederzeit auch wieder herausholen.» Seehofer hatte bereits vergangene Woche betont, dass die Klage nicht «auf ewig» vom Tisch sein müsse.
Auf die Frage, wie die Bundesregierung zu möglichen Grenzkontrollen Österreichs am Brenner stehe, sagte de Maizière: «Wir wollen alles unternehmen, dass es nicht zu einer Schließung des Brenner kommt.» Die Entscheidung darüber werde aber in erster Linie in Rom getroffen. Wenn Italien seine Verpflichtungen als EU-Außengrenzland erfülle und die Dublin-Verordnung umsetze, «dann stellt sich die Frage nicht». (DPA)