Aus Protest gegen ein neues Sparprogramm mit Rentenkürzungen haben die griechischen Gewerkschaften am Samstag den zweiten Tag in Folge gestreikt. Wichtigste Auswirkung: Der Bereich Verkehr lag lahm. Die meisten Ägäis-Fähren blieben in den Häfen, die Eisenbahner legten ihre Arbeit nieder, der Nahverkehr in Athen und anderen Städten brach zusammen. Auch Journalisten legten die Arbeit für zwei Tage nieder. Im Radio und Fernsehen gab es am Samstag nur Musik und Filme.
Im Parlament begann am Vormittag eine zweitägige Debatte über das neue Bündel von Sparmaßnahmen begonnen. Die Abstimmung ist für den späten Sonntagabend geplant. Am Samstagabend versammelten sich rund 7000 Menschen vor dem Parlament in Athen und forderten lautstark die Rücknahme der Sparmaßnahmen. Die Demonstration verlief friedlich, teilte die Polizei mit.
Neben Rentenkürzungen um 1,8 Milliarden Euro sind 1,8 Milliarden Euro Steuererhöhungen vorgesehen. Zu einem späteren Zeitpunkt plant die Regierung indirekte Steuern in Höhe von weiteren 1,8 Milliarden Euro vom Parlament billigen zu lassen. Für den Samstagnachmittag und auch am Sonntag waren Demonstrationen der Gewerkschaften geplant.
Die Gewerkschaften bezeichnen die neuen Rentenkürzungen als «den Grabstein» für das Rentensystem. In Griechenland sind die Renten seit Ausbruch der schweren Finanzkrise vor sechs Jahren bislang zwölf mal gekürzt worden. Dennoch ist das System weiterhin instabil.
Von den etwa elf Millionen Einwohnern des Landes sind 1,2 Millionen arbeitslos. Nur knapp 3,6 Millionen haben eine Arbeit. Viele davon verdienen weniger als 500 Euro monatlich. Fast 2,7 Millionen sind Rentner. Regierungschef Alexis Tsipras warnte wiederholt: Wenn es keine Reformen gebe, werde man in wenigen Jahren gar keine Renten auszahlen können.
Das neue Sparmaßnahmen-Bündel sieht auch erhebliche Erhöhungen der Einkommensteuern vor. Der steuerfreie Betrag soll von 9545 Euro auf 8636 Euro gesenkt werden. Kleinere Unternehmen, die Gewinne bis zu 50 000 Euro haben, müssen statt bislang 26 Prozent nun 29 Prozent Steuern zahlen. Finanzminister Euklid Tsakalotos hatte bereits vor drei Wochen erklärt, er werde auf keinen Fall einen niedrigeren steuerfreien Betrag von 9100 Euro akzeptieren. Dies sei seine «rote Linie», hieß es damals.
Die Abstimmung gilt als Kraftprobe für die Links-Rechts-Koalition unter Alexis Tsipras. Er verfügt über eine knappe Mehrheit von 153 der 300 Abgeordneten. Die Sparmaßnahmen sind Voraussetzung für weitere Finanzhilfen für das von der Pleite bedrohte Land.
Überlebt Tsipras politisch diese Probe, steht sofort neuer Stress vor der Tür: Mit Spannung wird in Athen die für Montag angesetzte Sitzung der Eurogruppe erwartet. Die Zeit wird - wieder einmal - knapper. Griechenland braucht frisches Geld. Im Juli müssen insgesamt 3,7 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank (EZB) und andere Gläubiger gezahlt werden. Dieses Geld hat Athen nicht, solange nicht Mittel aus dem im Sommer 2015 grundsätzlich vereinbarten dritten Hilfspaket fließen. Griechenland wird bereits seit 2010 mit internationalen Hilfskrediten vor der Pleite bewahrt.
Zahlreiche Analysten schlossen in Athen am Wochenende vorgezogene Wahlen in Griechenland nicht aus. Diese könnten kommen, wenn Tsipras das Votum nicht übersteht. Sie könnten aber auch dann ausgerufen werden, wenn die Gläubiger am Montag sich nicht darauf einigen, wie es mit Griechenland weiter gehen soll. Der IWF fordert weitere Sparmaßnahmen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro. Im Vorfeld des Eurogruppen-Treffens am Montag sprach sich der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos deutlich gegen ein zusätzliches Sparpaket «auf Vorrat» aus.
Zudem fordert der IWF Regelungen, die den griechischen Schuldenberg tragbar machen sollen. «Sprich einen verdeckten Schuldenschnitt in der Form von einer Streckung der Zahlungsfristen», sagt ein Diplomat eines der wichtigsten EU-Länder in Athen.
«Wir haben das gemacht, was wir versprochen hatten (setzen das Sparprogramm um). Der IWF und Berlin sollen jetzt diskutieren und eine saubere Lösung für die Schulden finden», sagte Finanzminister Tsakalotos am Samstagabend im Parlament. (DPA)