Der Verbraucher merkt es an der Tankstelle und beim Heizölkauf: Er muss wieder tiefer in die Tasche greifen. Der Preis für 100 Liter Heizöl bei Abnahme von insgesamt 3000 Litern (inklusive Mehrwertsteuer) kratzt an der Marke von 50 Euro, wo er zuletzt im Dezember notierte. Ein Liter Diesel kostete nach einer Analyse des Portals «Clever Tanken» im April im Durchschnitt 1,02 Euro je Liter und hat damit die Preiszone unterhalb von einem Euro verlassen. Und für Benzin mussten die Autofahrer in Deutschland 1,25 Euro je Liter bezahlen, fünf Cent mehr als im Monat zuvor.
Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) betrachtet die steigenden Preise noch nicht unbedingt als eine Trendwende. «Dazu müssten die Steigerungen noch einige Zeit anhalten», sagte HWWI-Rohstoffexperte Leon Leschus.
Der Rohstoffpreis-Index des Instituts kletterte im April abermals um 6,6 Prozent, nachdem das HWWI schon im März ein sehr kräftiges Plus von 14,6 Prozent gemessen hatte. Im Januar hatte der Index seinen tiefsten Stand seit zwölf Jahren erreicht; seitdem geht es wieder aufwärts.
Das betrifft nicht allein Energie, also vor allem Öl und Gas. Viele andere Rohstoffpreise hatten ihre Tiefpunkte in den vergangenen Monaten und erholen sich nun wieder. Eisenerz kostete im Dezember weniger als 40 Dollar je Tonne, jetzt sind es mehr als 60 Dollar.
Auch Nichteisen-Metalle wie Zink, Nickel und Aluminium zogen an. Der Index stieg im April um 3,2 Prozent, für Eisenerz und Stahlschrott sogar um 13,6 Prozent. Auch Agrarrohstoffe verteuerten sich: Kaffee, Zucker, Soja und Kakao legten auf den Weltmärkten zu. Der entsprechende Index erhöhte sich im April um 3,7 Prozent.
Dass fast alle Rohstoffe gleichzeitig teurer werden, deutet nach dem Eindruck von Leschus auf ein gewisses Maß an Spekulation auf den Märkten hin. Zudem zieht der Ölpreis auch die anderen Preise nach oben. «Beim Abbau von Metallen wird Energie benötigt, und in der Landwirtschaft verteuern sich die Kosten für Kraftstoffe und Dünger», sagte der Rohstoffexperte.
Die Autofahrer nutzten die günstige Situation zum Jahresbeginn und kauften viel Sprit, auch weil die guten Straßenverhältnisse es zuließen. Der Mineralölverbrauch in Deutschland stieg nach Angaben des zuständigen Bundesamtes BAFA in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um 3,0 Prozent - ganz gegen den langfristigen Trend.
Allein der Absatz von Diesel nahm um 8,0 Prozent zu, bei den Otto-Kraftstoffen waren es 3,7 Prozent. Höhere Spritpreise könnten nun auch den Absatz von Ölprodukten wieder dämpfen.
Doch hält der Trend zu steigenden Energie- und Rohstoffpreisen überhaupt an? «Das glaube ich nicht», sagte Rainer Wiek vom Hamburger Energie-Informationsdienst EID. «Der Markt scheint mir ziemlich fest.» Nach dem Jahreshoch in der vergangenen Woche sei der Preis für Rohöl schon wieder etwas zurückgegangen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent kostete am Freitag ungefähr 45 Dollar und damit gut 50 Prozent mehr als beim Tiefstand im Januar.
«Damit haben wir von einem übertrieben tiefen Niveau aufgeholt auf ein immer noch günstiges Niveau», sagte Wiek. Weder sei ein deutlicher Rückgang der Förderung noch eine anziehende Nachfrage in Sicht. Von den alten Höchstständen von mehr als 100 Dollar je Barrel wie vor zwei Jahren ist der Brent-Ölpreis noch weit entfernt. «Wir werden die heutigen Preise vermutlich noch eine ganze Weile sehen», meinte Wiek. (DPA)