Stuttgart (dpa/lsw) - Rund sieben Wochen nach der Landtagswahl haben sich Grüne und CDU in Baden-Württemberg auf Inhalte für ihren Koalitionsvertrag geeinigt. Das finale Votum wird für Sonntag erwartet. Die bundesweit erste grün-schwarze Landes-regierung will bis 2021 rund 1500 Stellen bei der Polizei schaffen. Zudem sind im selben Zeitraum Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen Euro in Straßen, Schienennetz, Hochbau und Hochschulen geplant. Das teilten die beiden Parteien in der Nacht zum Freitag nach rund 13-stündigen Gesprächen in Stuttgart mit.
Die Ressortzuschnitte und die Verteilung der Ministerien an die beiden Parteien wollen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und CDU-Verhandlungsführer Thomas Strobl dem Vernehmen nach am Wochenende unter vier Augen besprechen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass dann die konkrete Besetzung der Ministerposten festgeklopft wird. Kretschmann hatte kürzlich gesagt, dass er keine Eile geboten sehe, weil die Personalien nicht Teil des Koalitionsvertrages seien.
Bei der Landtagswahl am 13. März waren die Grünen das erste Mal in Deutschland stärkste politische Kraft geworden. Die grün-schwarze Regierung soll von Kretschmann geführt werden - die CDU ist dann das erste Mal in ihrer Geschichte Juniorpartner unter den Grünen.
Während die Koalitionsverhandlungen von der Grünen-Basis bislang relativ geräuschlos begleitet worden sind, hat es in der CDU wiederholt rumort - etwa wegen sich abzeichnender Kompromisse im Schulsektor. Die CDU berät am Samstag intern über die Ergebnisse der Koalitionsgespräche. Am Sonntag kommt die große Koalitionsrunde von Grünen und CDU zusammen, um final über den Vertrag zu entscheiden. Theoretisch können dann Teile der Vereinbarung wieder zur Diskussion gestellt werden. Sowohl Grüne als auch CDU gehen aber davon aus, dass der Koalitionsvertrag am Montag offiziell vorgestellt werden kann.
Nach Angaben aus Verhandlungskreisen konnte sich die CDU mit dem von ihr geforderten Familiengeld zur Betreuung von Kindern zu Hause nicht durchsetzen. Dafür komme ein bezuschusster Kinderbildungspass, um die CDU-Idee von einem beitragsfreien und verpflichtenden Kindergartenjahr vor der Einschulung zu realisieren. Die Kosten werden mit 84 Millionen Euro im Jahr veranschlagt. Vom Tisch ist die von der CDU geforderte Wahlfreiheit für Gymnasien zwischen dem acht- und dem neunjährigen Abitur. Kommen soll aber eine Reform des Landtagswahlrechts mit der Einführung einer Zweitstimme.
Das umstrittene Bildungszeitgesetz soll zudem in zwei Jahren auf den Prüfstand kommen. Das berichten «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten» (Samstag) unter Berufung auf Verhandlungskreise. Grün-Schwarz will den Kommunen außerdem ermöglichen, zeitlich und örtlich begrenzte Alkoholkonsumverbote zu erlassen, wie die «Südwest Presse» (Samstag) schreibt. Die CDU habe sich hier durchgesetzt. Die Zeitung beruft sich auf Verhandlungskreise. Auch der SWR berichtete am Freitag darüber.
Am Jagdgesetz soll es ebenfalls Nachbesserungen im Detail geben. Das von der CDU-geforderte Vollverschleierungsverbot («Burka-Verbot») soll nicht im Koalitionsvertrag stehen. Beim Thema Windkraft sollen die Abstandsregelungen zu Wohngebäuden flexibel gehandhabt werden können. Damit kommen die Grünen der CDU entgegen, die einen Abstand von bis zu 1000 Meter gefordert haben. Bislang gilt eine Entfernung von 700 Metern. Öffentliche Busse und Bahnen sollen im ländlichen Raum attraktiver und dazu stärker finanziell unterstützt werden.
Grüne und CDU planen ein Mieter-Solarprogramm, damit nicht nur Eigentümer, sondern auch Mieter günstig an Solarstrom kommen können. Und die unter Grün-Rot vollzogene Polizeireform soll unter Grün-Schwarz evaluiert werden. Neue Gemeinschaftsschulen werden weiter genehmigt - nach sehr strengen Kriterien sollen einige wenige auch eine Oberstufe bekommen. Dieser Punkt ist in der CDU umstritten. Am Freitagnachmittag verständigten sich Grüne und CDU auch auf die «Spielregeln» der Koalition - etwa das Verhalten im Bundesrat.
Die künftigen Koalitionspartner einigten sich auch beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21. Dabei ging es insbesondere um eine Formulierung zum Kostendeckel, also der Summe, die das Land maximal bereit ist zu zahlen. Die Formulierung im gemeinsamen Koalitionsvertrag soll nun so lauten: «Das Land hält in den Sprechklauselgesprächen am Ziel fest, dass über die im Vertrag genannten Kostenanteile in Höhe von 930,6 Millionen Euro hinaus von Seiten des Landes keine Zahlungen zu leisten sind.» Die CDU hatte versucht, die Formulierung zum Kostendeckel aufzuweichen. (DPA)