Fragen und Antworten zum Atom-Deal

Hocherfreut: Die drei Kommissions-Vorsitzenden Ole von Beust, Matthias Platzeck und Jürgen Trittin (v.l.) sehen ihren Vorschlag als fairen Kompromiss. Foto: Bernd von Jutrczenka
Hocherfreut: Die drei Kommissions-Vorsitzenden Ole von Beust, Matthias Platzeck und Jürgen Trittin (v.l.) sehen ihren Vorschlag als fairen Kompromiss. Foto: Bernd von Jutrczenka

Bis in die Nacht wurde gepokert, und erst am Mittwochmittag konnte die Atomkommission das gemeinsame Ergebnis verkünden: Die Atomkonzerne sollen gut 23 Milliarden Euro an einen öffentlich-rechtlichen Fonds zahlen. Der letzte große Streitpunkt war damit ausgeräumt. Jetzt sind Konzerne und Politik am Zug. Worum ging es der Regierungskommission?

 

Die 19-köpfige Kommission unter Leitung von Jürgen Trittin (Grüne), Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD) sollte Vorschläge machen, wie die Finanzierung des Atomausstiegs gelingen kann - ohne dass sich bei Stilllegung und Rückbau der Atommeiler sowie Zwischen- und Endlagerung des Atommülls die Verursacher aus der Verantwortung stehlen können. Es sollen aber auch das «ökonomische Überleben» der schon jetzt angeschlagenen Konzerne gesichert und zugleich die Risiken für die Steuerzahler minimiert werden.

 

Was würden Stilllegung und Atommüll-Lagerung denn kosten?

Die Expertenkommission hat in ihren Beratungen Schätzungen von mindestens rund 48 Milliarden Euro unterstellt - berechnet zu Preisen von 2014. Ein Szenario kommt bis 2099 auf mögliche Gesamtkosten (mit Inflation und steigenden Kosten) von fast 170 Milliarden Euro.

 

Haben die vier Atomkonzerne dafür Vorsorge getroffen?

Ja, sie haben sogenannte Rückstellungen gebildet. Zu dieser finanziellen Absicherung sind sie verpflichtet. Bis Ende 2014 waren mehr als 38 Milliarden Euro für Abriss und Entsorgung zurückgestellt. Wegen der niedrigen Zinsen mussten die Unternehmen mehr beiseite legen - Ende 2015 knapp 40,1 Milliarden Euro. Die Milliarden liegen nicht auf Konten, sondern stecken in Kraftwerken, Stromnetzen oder Finanzanlagen. Ein Stresstest ergab, dass das Finanzpolster reicht. Aber: Wegen des Zinsrisikos könnten die Atom-Rückstellungen auf bis zu 70 Milliarden Euro steigen.

 

Wie soll ein Deal zwischen Staat und Konzernen aussehen?

Die Kommission schlägt vor, die Milliarden praktisch aufzuteilen: Etwa die Hälfte der Rückstellungen sollen die Konzerne behalten, die damit Stilllegung und «unverzüglichen Rückbau» der Atommeiler bezahlen sowie für eine «endlagergerechte» Verpackung des Atommülls sorgen. Dafür sollen aus den Rückstellungen 19,8 Milliarden Euro (Ende 2014) bei den Konzernen verbleiben. Als Kosten dafür waren - zumindest Ende 2014 - rund 24 Milliarden Euro unterstellt.

 

Und die langfristige Zwischen- sowie Endlagerung?

Dafür sollen die Konzerne etwa 17,2 Milliarden Euro aus den Rückstellungen (Stand Ende 2014) plus einen Aufschlag von gut 6,1 Milliarden Euro an einen öffentlich-rechtlichen «Entsorgungsfonds» bis zum Jahr 2022 zahlen. Daraus würde dann die Jahrzehnte dauernde Zwischen- und Endlagerung finanziert. So wäre ein großer Teil der Rückstellungen sicher - auch für den Fall, dass einer der Konzerne in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten untergeht.

 

Haben sich die Konzerne bei der Endlagerungs-Haftung freigekauft?

Von der Haftung freigestellt werden sie, wenn sie jeweils auch den Risikozuschlag von 35 Prozent an den Fonds überweisen. Die Konzerne pochten auf einen geringeren Zuschlag, zuletzt sollen beide Seiten aber «nur» noch um eine Milliarde auseinandergelegen haben, am Anfang der Beratungen waren es noch zehn Milliarden Euro. Alles in allem würden die Konzerne letztlich 47 Milliarden Euro schultern.

 

Reichen die Fondsmittel aus - angesichts langfristiger Risiken?

Nur für den theoretischen Fall, dass jetzt das Endlager gebaut würde. Das wird aber erst ab 2050 der Fall sein. Zwischen- und Endlagerung dürften sich bis weit ins Jahr 2090 hinziehen. Der Fonds soll das Geld aber anlegen und «arbeiten» lassen, so dass der Betrag in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich steigt - so die Annahme.

 

Wäre damit der Steuerzahler ganz raus?

Nein. Mögliche Mehrkosten könnten immer noch drohen, aber das Risiko wäre verringert. Niemand weiß, was in 40 oder 50 Jahren der Fall sein wird. Hinzu kommt, dass die Konzerne mit der Zahlung an einen Fonds erheblich Steuern sparen könnten, da sie sich einen Teil der Milliarden-Überweisungen wieder vom Fiskus zurückholen.

 

Was hätten die Unternehmen denn noch für einen Vorteil?

Die einstigen Stromriesen sind angeschlagen. Die früheren Börsen-Schwergewichte haben massiv an Wert verloren, auch weil sie die Energiewende lange verschliefen. Die Konzerne haben Probleme, sich frisches Geld zu beschaffen. Aktionäre verlangen Ausschüttungen, was an der Substanz zehrt. Zugleich müssen die Unternehmen immer mehr Geld für Rückstellungen beiseite legen. Kaum wurde der Vorschlag bekannt, schnellten die Kurse in die Höhe.

 

Werden denn die Unternehmen zustimmen?

Zunächst haben die AKW-Betreiber die Empfehlungen der Kommission kritisiert. Die Vorschläge könnten so nicht akzeptiert werden, man werde sie vor einer abschließenden Bewertung aber genau prüfen. Auch die Konzerne wissen, dass das einstimmige Votum der Kommission breite Teile der Gesellschaft abdeckt. Selbst der Industrieverband BDI zieht mit. Das hätte er kaum ohne Abstimmung mit den Konzernen getan. Eine Einigung scheint also möglich. Die Bundesregierung hat bereits signalisiert, die Empfehlungen umzusetzen. (DPA)