Flirten und Daten in virtuellen Welten? Glaubt man Trendforschern wie Christian Schuldt vom Frankfurter Zukunftsinstitut, dann könnten sich viele Singles auf Partnersuche bald im Cyberspace zum ersten Mal begegnen. Algorithmen sondieren potenzielle Partner für sie und arrangieren das romantische Kennenlernen oder erotische Abenteuer. Die Branche der Dating-Anbieter könnten solche Entwicklungen weiter aufmischen. Schon seit Jahren geht es auf dem Markt wenig kuschelig zu.
Laut Schätzungen halten etwa elf Millionen Menschen regelmäßig im Internet Ausschau nach möglichen Liebes- oder Sexpartnern. Das klingt zwar nach einem lukrativen Geschäft - doch die Konkurrenz ist groß.
Rund 2500 deutschsprachige Singlebörsen, Partnervermittlungen, Seitensprung-Portale und ähnliche Anbieter buhlen um die Gunst der Flirtwilligen. Auch kostenlose Apps mischen mit. Schon seit Jahren stagnieren die Umsätze der Branche in Deutschland mehr oder weniger - bei teils hohen Werbeausgaben. Im vergangenen Jahr kamen die Portale Schätzungen zufolge auf Erlöse von zusammen gut 190 Millionen Euro.
Kein Wunder also, dass eine Konsolidierungswelle eine ganze Reihe etablierter Unternehmen erfasst hat. Die beiden Partnervermittlungen Parship und Elitepartner etwa gehören mittlerweile zum britischen Finanzinvestor Oakley Capital. Friendscout24 und Neu.de gingen an die französische Meetic Group, die wiederum eine Tochter des US-Konzerns Match Group ist, der auch die App Tinder unter seinen Fittichen hat.
Der Markt werde weiter in Bewegung bleiben, erwartet Friendscout24-Geschäftsführer Michael Pilzek. Deshalb müssten sich die Anbieter rüsten. Man beobachte die Entwicklungen genau und werde auch Angebote auf Basis neuer Technologien entwickeln.
Bestärkt fühlt sich Pilzek dabei durch die Studie von Schuldt, die Friendscout24 in Auftrag gegeben hatte. Demnach erwarten viele Nutzer passende Partnervorschläge quasi jederzeit überall - ob im Sport, an der Supermarktkasse oder in der U-Bahn, ohne sich erst ins Internet einklinken zu müssen. Möglich könnte das beispielsweise mit smarten Kontaktlinsen und Brillen werden, über die eine Art «persönlicher Dating-Butler» den Nutzer zum Anbändeln animiert, glaubt Schuldt.
Das mag manchem etwas unheimlich vorkommen - doch der Trendforscher will beruhigen. So ganz im Cyberspace verlieren werden sich die Menschen nach seiner Überzeugung nicht. Ein Gegentrend zeichne sich auch schon ab, weil sich längst nicht jeder bei Liebe, Sex und Partnerschaft von smarten Maschinen bevormunden lassen wolle: «Wir werden auch eine Renaissance der klassischen Partnerbörsen sehen.»
Pamela Moucha vom Vergleichsportal singleboersen-vergleich.de glaubt an eine Zukunft für die Online-Portale - zumindest wenn sie eigene App-Versionen starten und so auf Ballhöhe bleiben. Schon jetzt zeige sich, dass Apps wie Tinder & Co. das Flirtverhalten der Menschen verändert hätten. Man komme einfach schneller zur Sache als in früheren Zeiten beim Dating über stationäre PC.
Nicht in jedem Fall ist das Geschäft mit der Partnersuche aber schnelllebiger geworden, wie das Berliner Online-Portal «Im Gegenteil» zeigt. Mit aufwendigen Fotostrecken und ausführlichen Texten werden dort Singles porträtiert. Bisher waren es rund 450, sagt Annelie Kralisch-Pehlke, die das Unternehmen 2013 gemeinsam mit ihrer Freundin Juliane Müller gründete. Zur Zielgruppe gehören vor allem Trendsetter zwischen 20 und 40 Jahren. Das Portal finanziert sich über Marketing-Aktionen - die Porträtierten selbst und Menschen, die mit ihnen in Kontakt treten wollen, zahlen dagegen nichts.
Gefälschte Profile, die bei anderen Plattformen immer wieder für Ärger gesorgt hatten, sind bei «Im Gegenteil» ausgeschlossen, weil das Team alle Singles persönlich kennenlernt. Dass die Porträts für jeden Internetnutzer offen einsehbar sind, hält Kralisch-Pehlke nicht für ein Problem. Viele der Leute gäben sehr viel persönlichere Dinge über Facebook oder Instagram von sich preis, und Nachnamen oder gar Adressen seien ohnehin nie über die Plattform einsehbar.
Schon mehr Sorgen um seine Daten muss sich laut einer Untersuchung von singleboersen-vergleich.de machen, wer Dating-Apps nutzt. «Da fehlt es in der breiten Masse an entsprechendem Sicherheitsbewusstsein und Vorsicht», meint Moucha. (DPA)