Die Europäische Zentralbank (EZB) hält trotz teils harscher Kritik aus Deutschland an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest. Auch nach der jüngsten Verschärfung ihres Anti-Krisen-Kurses halten sich die Währungs-hüter die Tür für weitere Schritte offen. EZB-Präsident Mario Draghi betonte am Donnerstag in Frankfurt, falls notwendig, werde die Notenbank im Rahmen ihres Mandats alle Instrumente im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche einsetzen.
Draghi verwahrte sich gegen teils massive Kritik aus Deutschland. «Wir haben den Auftrag, Preisstabilität für die gesamte Eurozone zu wahren, nicht nur für Deutschland», sagte der Notenbank-Präsident. «Dieses Mandat ist in den europäischen Verträgen festgelegt. Wir befolgen europäisches Recht, wir sind unabhängig.»
Unionspolitiker hatten der Notenbank vorgeworfen, sie enteigne mit Geldflut und Nullzins-Politik die Sparer in Deutschland. Draghi betonte, alle Mitglieder des EZB-Rates seien sich einig, dass die Unabhängigkeit der Notenbank verteidigt werden müsse und dass die gegenwärtige Geldpolitik angemessen sei, um die EZB-Ziele zu erreichen: «Geldpolitik war die einzige Politik in den vergangenen vier Jahren, die das Wachstum unterstützt hat.»
Zunächst verschärfte die EZB ihren Kurs aber nicht weiter. Der EZB-Rat beließ den Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld leihen können, auf dem Rekordtief von null Prozent. Der Strafzins für Geld, das Finanzinstitute über Nacht bei der Notenbank parken, beträgt weiterhin 0,4 Prozent.
Spekulationen über den Einsatz von «Helikoptergeld» - also zielgenaue Finanzspritzen an Unternehmen und Verbraucher von der Zentralbank unter Umgehung des normalen Bankensektors - wies Draghi zurück. «Wir haben das Thema niemals in der EZB diskutiert». Bei diesem Thema gebe es zahlreiche «rechtliche und praktische Hürden». Er sei erstaunt, welche Reaktionen seine Äußerungen vor sechs Wochen ausgelöst hätten. Draghi hatte die Idee angelsächsischer Ökonomen auf Nachfrage als «sehr interessantes Konzept» bezeichnet.
Erst im März hatten die Währungshüter ihren Kurs im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche massiv verschärft: Sie senkten den Leitzins auf null Prozent. Das vor allem in Deutschland umstrittene milliardenschwere Programm zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren wurde ausgeweitet. Die Notenbank kauft seit April Papiere im Volumen von 80 Milliarden Euro monatlich, zuvor waren es 60 Milliarden Euro. Das Programm läuft bis mindestens März 2017. Zugleich brummte die EZB Banken höhere Strafzinsen auf. Zudem gibt es ab Sommer neue billige Langfristkredite für Geldhäuser.
Mit diesem bisher einmaligen Maßnahmenbündel will die EZB die Kreditvergabe im Euroraum ankurbeln und so Konjunktur und Inflation anschieben. Bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld nicht im gewünschten Maß in der Wirtschaft an. Die Wirtschaft im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller. Im März war die Inflation im Euroraum gegenüber dem Vorjahr unverändert. Im Februar lag sie sogar bei minus 0,2 Prozent. Draghi hält auch in den nächsten Monaten vorübergehend negative Teuerungsraten für möglich.
Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben, weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird. Die EZB strebt daher mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.
Nach Einschätzung von DZ-Bank-Experte Jan Holthusen hat die EZB die Grenzen ihrer Geldpolitik weitgehend erreicht. Kleinere Änderungen - etwa eine nochmalige Ausweitung des Katalogs für Anleihenkäufe oder eine weitere leichte Zinssenkung - seien zwar nicht ausgeschlossen. Sie würden nach Holthusens Einschätzung aber verpuffen: «Die Kapitalmärkte müssen sich langsam von dem Gedanken verabschieden, dass die Stimulierung durch die EZB immer weiter geht. Viel hilft eben nicht immer viel - in Zukunft noch nicht einmal an den Kapitalmärkten.» (DPA)