Ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der EU stellt nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) eines der größten Risiken für die Weltwirtschaft dar. «Ein «Brexit» kann zu erheblichen regionalen und weltweiten Schäden führen, indem er traditionelle Handelsbeziehungen unterbricht», sagte IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld. «Es ist schwer zu erkennen, wie das positiv werden könnte.» Weltweit belasteten zudem politische Unsicherheiten das Wachstum, warnte Obstfeld, als er den Weltwirtschafts-Ausblick für die nächsten Jahre vorstellte.
Im Falle eines Austritts-Votums beim Referendum der Briten am 23. Juni würde sich ein zwei Jahre langer Neuverhandlungs-Marathon anschließen. Der seit Beginn der 1970er Jahre andauernde Trend, dass Großbritannien mehr und mehr mit den anderen europäischen Ländern kooperiere, würde gestoppt. Es wäre überraschend, wenn die Reduzierung europäischer Integration zu neuem Wachstum führen würde, sagte Obstfeld.
Das weltweite Wirtschaftswachstum sei zu lange zu schwach gewesen. «Schwächeres Wachstum heißt weniger Raum für Fehler», sagte der IWF-Chefökonom und richtete einen eindringlichen Appell an Regierungen in aller Welt. «Wir sind nicht im Alarmzustand, aber im Stadium der Wachsamkeit», betonte er.
Die Aussichten für die Weltwirtschaft trüben sich der neuesten IWF-Prognose zufolge weiter ein. Die globale Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr nur um 3,2 Prozent und im kommenden Jahr lediglich um 3,5 Prozent wachsen, schätzt der IWF in seiner Frühjahrsprognose. 2015 hatte es ein weltweites Wachstum von 3,1 Prozent gegeben.
Schaden könne auch die die politische Diskussion im US-Wahlkampf. Bewerber wie Donald Trump stellen globale und regionale Handelsabkommen in Frage. Der Blick richte sich zunehmend nach innen und drohe in Protektionismus zu münden, sagte Obstfeld.
Im Januar hatte der IWF noch ein weltweites Wachstum von 3,4 Prozent für 2016 und von 3,6 Prozent für 2017 vorhergesagt. Grund für die nun abgesenkte Prognose seien neben politischen Unsicherheiten und wachsenden Risiken auf den Finanzmärkten vor allem Probleme in Schwellen- und Entwicklungsländern.
China, Russland, Brasilien - die einstigen Hoffnungsträger und Wachstumstreiber sind inzwischen zu Problemländern für die Weltwirtschaft geworden. Der IWF sieht massive Kapitalabflüsse aus diesen Ländern, weil Anleger nach der Finanzkrise inzwischen wieder sicherere Optionen in Industrieländern bevorzugen.
Einige Schwellenländer, darunter Russland, Venezuela und Nigeria, hat der niedrige Ölpreis in die Problemzone getrieben, in anderen habe der Klimawandel zu Dürren und Flutkatastrophen beigetragen. Aber auch Japan kämpft mit erheblichen Wachstumsproblemen - im nächsten Jahr könnte es hier sogar leicht ins Minus gehen.
Für die Eurozone wie auch für Deutschland sagt der IWF für das laufende Jahr ein moderates Wachstum von 1,5 Prozent voraus - in Europa gebremst von weiterhin hoher Arbeitslosigkeit und geringer Investitionslust. In den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, wird ein Wachstum von stabilen 2,4 Prozent prognostiziert. (DPA)