CDU-Landeschef Thomas Strobl will Minister und Vize-Regierungschef in der geplanten grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg werden. Mit seiner Ankündigung bereitete der Bundestags-abgeordnete und CDU-Bundesvize am Freitagabend dem tagelangen Rätselraten über seine politische Zukunft ein Ende. «Ja, ich bin bereit nach Stuttgart zu gehen», der 56-Jährige, nachdem er seine «nicht leichte» Entscheidung dem Präsidium, dem Landesvorstand sowie den Abgeordneten und Kreischefs seiner Partei mitgeteilt hatte.
Zugleich betonte Strobl seinen Führungsanspruch in der Partei für die kommenden fünf Jahre.
Er wolle Minister und Vize-Regierungschef werden, wenn es einen grün-schwarzen Koalitionsvertrag gebe, der das Land voranbringe, und Partei und Fraktion dies unterstützten. Die Grünen hatten die CDU bei der Wahl am 13. März erstmals als stärkste Kraft überholt, so dass der Union nur die Rolle als Juniorpartner an der Seite von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bleibt.
Mit Landtagsfraktionschef Guido Wolf, der die CDU als Spitzenkandidat in die Wahl geführt hatte, sei sein Vorgehen abgesprochen, sagte Strobl. Wolf werde in der schwierigen Situation für die CDU gebraucht, sagte Strobl und schlug ihn für ein «wichtiges Amt» in der künftigen Landesregierung vor.
Wolf, der sich im Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur noch gegen Strobl durchgesetzt hatte, hat zwei Optionen: Verbleib an der Fraktionsspitze oder ein Kabinettsposten. «Sie erleben einen erleichterten Guido Wolf», sagte der ehemalige Tuttlinger Landrat und ergänzte mit Blick auf seinen ehemaligen Konkurrenten: «Ich werde seiner ausgestreckten Hand die meinige entgegenstrecken.» Nur wenn man die Reihen schließe, sei die CDU stark. Er habe keine Sorge, dass die Fraktion die Vereinbarung nicht mit trage.
Der Druck auf Strobl, sich zu erklären, war zuletzt größer geworden. Die «Rheinische Post» hatte Mitte der Woche unter Berufung auf CDU-Kreise berichtet, Strobl wolle Vize-Ministerpräsident und Minister mit den Zuständigkeiten für Inneres, Integration und Infrastruktur werden. Welches Ressort er anstrebt, ließ Strobl am Freitagabend offen. Über die Besetzung von Ministerien werde am Schluss verhandelt, sagte er. Integration ist derzeit in einem separaten Ministerium angesiedelt, die Infrastruktur gehörte zum Verkehrsministerium.
Der Grünen-Parteivorsitzende Cem Özdemir lobte Strobls Entscheidung in der «Heilbronner Stimme» (Samstag): «Thomas Strobl übernimmt Verantwortung. Das zeigt, dass er einen Erfolg der Koalitionsverhandlungen will», sagte er.
Die beiden Chef-Unterhändler Strobl und Kretschmann zeigten sich nach einem Gespräch in kleiner Runde am Freitagnachmittag sehr zuversichtlich, eine Koalition hinzubekommen. So gebe es einen Konsens, dass die Digitalisierung mit der landesweiten Bereitstellung schneller Internetverbindungen ein vorrangiges Projekt sei. Dafür sind 500 Millionen Euro im Gespräch. Gemeinsam wolle man den Haushalt konsolidieren und zugleich Spielräume für eigene Schwerpunkte schaffen. Kretschmann zeigte sich zuversichtlich, dass sich «schöne Gestaltungskorridore» ergeben.
Nach Ansicht von Strobl wird es bei Grün-Schwarz nicht darum geben, in den nächsten fünf Jahren lediglich Schulden zu verwalten - auch nicht, wenn sich im kommenden Jahr ein strukturelles Defizit von 2,6 Milliarden Euro ergebe. Aus rückläufigen Flüchtlingszahlen könnten sich neue Spielräume ergeben. Strobl sagte, er habe während der Gespräche realisiert, in welch gravierender Weise dieses Thema den Etat beeinflusse.
Der Wahlkampf sei vorbei, betonten beide Seiten. «Es ist ein Prozess im Gange, dass aus Gegnern von gestern Partner von morgen werden», sagte Strobl. «Wir wollen von unserer Seite die Koalitionsverhandlungen so führen, dass am Ende ein Koalitionsvertrag steht.» Allerdings sei sein Ziel, dass möglichst viel «schwarze Tinte» in die Koalitionsvereinbarung komme. Kretschmann sagte, die haushaltspolitischen Gespräche stünden am Anfang, damit man sich später nicht «dauernd in den Haaren» liege.
Aus Sicht von Hamburgs früherem Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) steht einem grün-schwarzen Bündnis nichts im Weg. Voraussetzung sei jedoch, dass die CDU ihre Rolle als Juniorpartner annehme, sagte der Erfinder schwarz-grüner Koalitionen auf Landesebene der Deutschen Presse-Agentur. Die Grünen müssten beachten, dass die Union nach jahrzehntelanger Vorherrschaft im Südwesten in einer psychologisch schwierigen Lage sei. «Wenn man aber die Schmerzgrenzen der CDU nicht überschreitet, bin ich sicher, dass es klappen wird mit den Grünen.»
Der ehemalige Finanzminister Willi Stächele (CDU) sagte der «Pforzheimer Zeitung» (Samstag), für ihn sei entscheidend, dass die CDU nicht ängstlich vor dem «großen Kretschmann» verharre, sondern wisse, dass auch dieser nur mit Wasser koche. (DPA)