Die Energieversorger sind nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) verpflichtet, im Interesse ihrer Tarifkunden ihr Gas möglichst billig einzukaufen. Wenn es geht, müssen sie die günstigste Beschaffungs-alternative wählen, wie aus der Entscheidung hervorgeht. Insbesondere dürfen die Versorger keine Preis-steigerungen auf ihre Kunden abwälzen, die sie ohne diese Möglichkeit aus wirtschaftlichen Erwägungen vermieden hätten.
Grundsätzlich halten die Karlsruher Richter aber an ihrer von Verbraucherschützern scharf kritisierten Linie aus dem Oktober 2015 fest. Demnach durften die deutschen Strom- und Gasversorger ihre Preise bis zu einer Neuregelung 2014 ohne umfassende Begründung erhöhen, solange sie damit keinen Gewinn machen wollten.
Diesmal ging es daher nur noch um die Frage, wann diese Grenze erreicht ist. In dem Fall aus Baden-Württemberg streitet eine Gaskundin mit den Ravensburger Technischen Werken Schussental um mehrere Preiserhöhungen zwischen 2005 und 2007. (Az. VIII ZR 71/10)
Die Frau wirft dem Unternehmen vor, am Vorlieferanten selbst beteiligt zu sein und damit von dessen Gewinnen zu profitieren. Nach Darstellung des Versorgers dient die Einkaufskooperation mehrerer Stadtwerke dagegen gerade dem Ziel, gemeinsam günstigere Preise auszuhandeln. Die Handelsspanne sei zudem verschwindend gering.
Das BGH-Urteil ist für die Kundin zumindest ein Etappensieg: Das Landgericht Ravensburg muss den Fall noch einmal verhandeln, weil es sich die Umstände der Erhöhungen nicht genau genug angeschaut hat. Das Gericht hätte die Einwände der Frau nicht einfach als unerheblich abtun dürfen, betonen die Karlsruher Richter. Vom Kunden sei außerdem nicht zu verlangen, dass er die Entwicklung der Bezugskosten selbst überprüfe, um sich dazu im Prozess äußern zu können.
Verbraucherschützer sehen darin aber nur eine kleine Verbesserung. Zwar sei positiv, dass sich die Versorger nicht einfach pauschal auf ihre Einkaufspreise berufen könnten, sagte Jürgen Schröder, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, der Deutschen Presse-Agentur. «Der Masse der Verbraucher bringt das aber nichts.»
Aus seiner Sicht hätte der BGH den Fall ein zweites Mal dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen. Die Luxemburger Richter hatten 2014 geurteilt, dass deutsche Energieversorger ihren Kunden Preiserhöhungen über Jahre hinweg nicht so transparent mitgeteilt hatten wie eine EU-Richtlinie das eigentlich erfordert. Inzwischen ist auch in Deutschland Gesetz, dass der Versorger über «den Umfang, den Anlass und die Voraussetzungen der Änderung» informieren muss.
Der BGH zog aus der Luxemburger Entscheidung in seinen Grundsatzurteilen von 2015 aber keine weitreichenden Konsequenzen. Die Verbraucherzentralen bemängeln, dass Kunden damit kaum noch Möglichkeiten haben, sich gegen Preiserhöhungen zu wehren.
Auf dieser Basis entschieden die Richter am Mittwoch noch drei andere Streitfälle um Preiserhöhungen bei Strom und Gas (Az. VIII ZR 211/10, 236/10 und 324/12). Die Kunden wurden jeweils in der sogenannten Grundversorgung beliefert, in die der örtliche Versorger jeden aufnehmen muss. Für Kunden mit Sondertarifen gelten andere Regeln.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) verwies darauf, dass sich in dem strittigen Zeitraum die Kosten für den Einkauf von Erdgas deutlich erhöht hätten. Die Versorger hätten schon im Wettbewerb untereinander ein Interesse, mit ihren Vorlieferanten möglichst niedrige Bezugskosten auszuhandeln. (DPA)