Bei den Siemens-Arbeitnehmervertretern wächst angesichts neuer Einschnitte der Unmut über Konzernchef Joe Kaeser. Statt ein seit langem gefordertes Zukunftskonzept zum Erhalt der Arbeitsplätze vorzulegen, jage bei dem Elektrokonzern ein Stellenabbau den nächsten. «Wir befürchten, dass die industrielle Basis aus Deutschland rausgehen soll», sagte Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn der Deutschen Presse-Agentur in München am Rande einer Tagung von IG Metall und Siemens-Betriebsräten.
Erst vor wenigen Wochen hatte Siemens nach einer ganzen Serie von Stellenstreichungen den Abbau oder die Verlagerung von insgesamt 2500 Arbeitsplätzen in der Sparte Prozessindustrie und Antriebe angekündigt, davon rund 2000 in Deutschland. Etwa jeweils die Hälfte der Jobs soll wegfallen beziehungsweise verlagert werden, schwerpunktmäßig treffen die Maßnahmen Bayern. Zur Begründung verwies das Unternehmen unter anderem auf die die Nachfrageflaute aus der Öl- und Gasbranche.
Die Arbeitnehmervertreter machen seither Front gegen die Pläne. «Wir hoffen, dass wir Verlagerungen verhindern können. Es braucht Zeit, um über Alternativen zu reden», sagte Steinborn. Einmal gestrichene oder verlagerte Jobs seien unwiderruflich weg aus Deutschland. «Wenn man so weiterdenkt, wie Siemens argumentiert, stellt das auch das Exportmodell Deutschland in Frage.»
Das Unternehmen hatte auch darauf verwiesen, dass die Zahl der deutschen Arbeitsplätze seit Jahren stabil bei rund 114 000 liege und zudem neue Arbeitsplätze geschaffen würden - auch in Deutschland. Auf Marktveränderungen in einzelnen Geschäftsfeldern müsse man aber reagieren. Von einem Rückzug aus Deutschland könne aber keine Rede sein, auch wenn die Maßnahmen für die betroffenen Standorte durchaus schmerzlich seien. Weltweit hat Siemens rund 347 000 Beschäftigte.
Die Arbeitnehmervertreter stoßen sich aber auch daran, dass die Pläne nur wenige Wochen nach der Hauptversammlung verkündet wurden, bei der Kaeser noch auf den weitgehend abgeschlossenen Konzernumbau verwiesen habe. Die Beschäftigten lebten in einer «Dauer-Unsicherheit», die massiv auf die Stimmung schlage, sagte Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner, der auch Vorstandsmitglied der IG Metall ist, und das, obwohl Siemens beileibe kein Sanierungs-, sondern ein «Profitfall» sei. Eigentlich müsse es darum gehen, Innovationen voranzutreiben - jedoch: «Menschen in Verunsicherung sind nicht innovativ», sagte Kerner. Unternehmen wie Siemens müssten zudem in der Lage sein, sich für Marktentwicklungen wie das gegenwärtige Ölpreis-Tief mit flexiblen Modellen zu wappnen.
Betriebsrat und IG Metall machen sich seit längerem für ein Konzept stark, das die Stärkung der Wertschöpfung bei Siemens in Deutschland, eine divisionsübergreifende Zusammenarbeit und Zukunftsinvestitionen vorsieht. Außerdem gehe es um attraktive Arbeitsbedingungen und eine neue Unternehmenskultur, sagte Steinborn. Ziel dabei müsse auch mehr Mitbestimmung in dem Unternehmen sein. «Dieser Kulturwandel hat noch nicht richtig stattgefunden.» (DPA)