Die Zinsen in Europa sind abgeschafft. Europas Währungshüter haben das Zinstief zementiert und Banken noch höhere Strafzinsen für das Bunkern von Geld aufgebrummt. Sparen wird schon lange nicht mehr belohnt. Müssen die Bankkunden nun auch noch mit höheren Gebühren rechnen?
Wie sieht das Zinsumfeld aktuell aus?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Euroraum in ihrer März-Sitzung auf null Prozent gesenkt.
Damit kostet Notenbankgeld die Banken zwar nichts mehr, allerdings sind sie gezwungen, das billige Geld auch weiterzureichen und mit Krediten die Wirtschaft anzuschieben. Denn wer überschüssige Liquidität über Nacht bei der Notenbank parkt, muss dafür 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.
Welche Folgen hat das Niedrigzinsumfeld für Banken?
Viele Banken verdienten lange gut daran, für Kredite mehr Geld zu kassieren als sie ihren Kunden an Zinsen fürs Sparen zahlten. Doch infolge des EZB-Kurses wird die Differenz aus den beiden Positionen, der Zinsüberschuss, tendenziell kleiner. Sorge bereitet den Instituten zudem, dass immer mehr Kunden Gelder kurzfristig parken - während bei Krediten möglichst lange Laufzeiten gefragt sind. Bei steigenden Zinsen könnten Kunden ihre Einlagen rasch abziehen.
Wie lautet ist die Antwort der Finanzbranche?
Viele Institute drehen an der Gebührenschraube. «Die Zeit von weiten Angeboten kostenloser Kontoführung ist aus meiner Sicht vorbei», sagt der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon. «Wir werden Leistungen bepreisen müssen - und zwar verursachergerecht.» Ähnlich argumentieren die genossenschaftlichen Sparda-Banken: «Ich rechne damit dass wir auf breiter Front Preissteigerungen sehen werden», sagt der Chef ihres Dachverbandes, Joachim Wuermeling. Denkbar seien Preiserhöhungen für Dienstleistungen wie Überweisungen in Papierform oder die Girocard.
Was heißt das konkret für Kunden?
Die Postbank mit ihren 14,3 Millionen Kunden beispielsweise kassiert bereits seit einem Jahr 99 Cent für Überweisungen, die nicht online ausgeführt werden. Dazu zählen auch Scheckeinreichungen. Nun kündigte das Bonner Institut eine weitere Abkehr von der Kostenlos-Mentalität an: Vorstandschef Frank Strauß verspricht zwar, dass er grundsätzlich am kostenfreien Girokonto festhalten will. Für Dienstleistungen vor allem am Schalter sollen künftig aber stärker Preise verlangt werden. Etliche Sparkassen lassen es sich unter anderem teuer bezahlen, wenn Kunden Münzgeld am Schalter einzahlen wollen.
Müssen Privatkunden auf breiter Front auch mit Strafzinsen rechnen?
Davor scheut sich die Branche noch. Sparkassen-Präsident Fahrenschon mag nicht einmal den Begriff in den Mund nehmen. Auch die Volks- und Raiffeisen zeigen sich bislang eisern: «Wir werden versuchen, das Thema Negativzinsen unseren Privatkunden nicht zuzumuten», sagt der Präsident des Dachverbandes BVR, Uwe Fröhlich.
Wie sieht die Praxis aus?
Die Sparkasse Oberhausen - ein mittelgroßes Institut - schreckte Mitte März mit der Ankündigung auf, sie schließe Strafzinsen für reiche Privatkunden nicht mehr grundsätzlich aus. Betroffen wären aber nur Kunden, die Geldbeträge im siebenstelligen Bereich anlegen wollen, erklärte ein Sprecher. Denkbar seien in solchen Fällen künftig Verträge, die Strafzinsen erlaubten. Der Sprecher betonte: «Da wird kein privater Sparkunde in absehbarer Zeit betroffen.» Bereits im Herbst 2014 hatte die Deutsche Skatbank in Thüringen für Aufsehen gesorgt, weil sie EZB-Strafzinsen an ihre Kunden weitergibt - allerdings bis heute nur dann, wenn die Einlagen eines Kunden bei dem genossenschaftlichen Institut drei Millionen Euro überschreiten.
Wie sieht es bei Unternehmenskunden aus?
An Firmenkunden und Profianleger wie Versicherungen und Pensionsfonds gibt die Branche die höheren Kosten zumindest zum Teil schon längst weiter. «Eine Bank ist weder in der Lage noch ist es ihre Aufgabe, ihre Kunden auf Dauer vor den Folgen dieser gewollten Zentralbankpolitik abzuschirmen», betont der neue Chef der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Herbert Hans Grüntker. Für größere Geldanlagen von Firmen oder institutionellen Kunden werde nach «individuellen Lösungen» gesucht. So macht es auch die Commerzbank. «Nullzins auf einem täglich verfügbaren Konto ist ein subventionierter Zins», erklärte der scheidende Konzernchef Martin Blessing im Februar. «Für uns ist die Frage, wie lange können wir diese Subvention aufrechterhalten. Deswegen reden wir mit unseren Kunden.» Blessing stellte klar: Sollte das Zinstief anhalten, «werden wir Teile dieser Subvention abbauen und den Negativzins weitergeben».
Dreht die gesamte Bankenbranche an der Gebührenschraube?
«Wir werden weiterhin keine Gebühren für Privatkunden einführen oder erhöhen», versichert ein Sprecher der ING-Diba. «Das Girokonto wird bei uns auch weiterhin kostenlos bleiben.» Strafzinsen seien ebenfalls nicht geplant. Direktbanken wie die ING-Diba profitieren in der angespannten Ertragslage davon, dass sie kein teures Filialnetz zu unterhalten haben oder mit viel Geld bei der Digitalisierung ihrer Angebote aufholen müssen wie etliche Konkurrenten.
Die Commerzbank will an ihrem kostenlosen Girokonto samt Startguthaben nicht rütteln, wie ein Sprecher des Dax-Konzerns betont. Damit hat das Institut seit Ende 2012 etwa 820 000 zusätzliche Kunden gewonnen. Für die Bank ist dieses Wachstum die Antwort auf den Druck durch die Niedrigzinsen. Und doch sagt der Commerzbank-Sprecher auch, dass einzelnen Dienstleistungen künftig Geld kosten könnten: «Gebühren schauen sich alle in der Branche an, auch wir.» Entschieden sei dazu bei der Commerzbank aber noch nichts.
Gibt es auch Vorteile der niedrigen Zinsen?
Kredite sind sehr günstig, sei es fürs Bauen und Renovieren oder für den Konsum. Allerdings könnte es auch auf diesem Feld teurer werden. Deutsche Bank-Chef John Cryan etwa warnte bereits vor der jüngsten EZB-Entscheidung, noch negativere Zinsen könnten Banken dazu zwingen, höhere Zinsen für Kredite zu fordern. In der Schweiz hat sich dies bereits bestätigt.
Können Banken bei den Gebühren machen, was sie wollen?
Gebührenerhöhungen durchzusetzen, ist in einem so umkämpften Markt wie Deutschland schwer. Der Wettbewerb der Banken untereinander ist hart, zunehmend greifen zudem junge Finanzdienstleister aus dem Internet an. Wer sich zu weit aus dem Fenster lehnt, riskiert eine massenhafte Flucht von Kunden. Aufseher sehen die schwache Ertragslage vieler Institute seit langem mit Sorge. Ihrer Ansicht nach sind einfach zu viele Banken auf dem Markt. Ob Bafin, Bundesbank oder EZB - vorrangiges Interesse der Aufseher sind stabile Banken. Und dazu wünschen sie sich seit Jahren mehr Zusammenschlüsse. (DPA)