Das schwierige Geschäft mit dem Essen aus dem Netz

Ein Amazon-Paket rollt über ein Transportband. Der Online-Handel boomt, außer bei Lebensmitteln. Foto: Henning Kaiser
Ein Amazon-Paket rollt über ein Transportband. Der Online-Handel boomt, außer bei Lebensmitteln. Foto: Henning Kaiser

Amazon bringt Bücher, Haushaltsgeräte und Spielzeug, Zalando Handtasche und Sandalen. Fast alles kaufen die Verbraucher in Deutschland online - bis aufs Essen. Nur 11 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben sich schon einmal normale Supermarkteinkäufe nach Hause liefern lassen, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab.

Das Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln schätzt den Anteil der im Netz bestellten Lebensmittel (plus Wein und Delikatessen) am Gesamtumsatz in diesem Jahr auf gerade mal 1,1 Prozent. Dennoch sind viele Investoren heiß auf junge Unternehmen, über deren Online-Plattformen Kunden Essen bestellen können.

 

Unter den fünf größten Wagniskapitalinvestitionen in Deutschland waren im vergangenen Jahr nach Erhebungen der Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) gleich drei Food-Unternehmen, zwei davon aus Berlin. 586 Millionen Euro flossen an Delivery Hero, die ihren Kunden mit Lieferheld, pizza.de und der seit September 2015 zum Unternehmen gehörenden Premiummarke Foodora eine Auswahl an verschiedenen Restaurants und deren Gerichten bietet.

 

Hello Fresh sammelte der Studie zufolge 185 Millionen Euro für ihr Kochbox-Konzept. Das Unternehmen aus der Berliner Start-up-Fabrik Rocket Internet liefert im Abo bebilderte Kochanleitungen samt mundgerecht ausgewählten Zutaten direkt nach Hause.

 

Was das Geschäft mit dem Essen für Investoren so attraktiv mache, sei die einfache Skalierbarkeit des Geschäftsmodells, sagt EY-Partner Peter Lennartz. «Umsatz und Gewinn steigen mit der Zahl der Kunden, ohne dass die Kosten im gleichen Maße wachsen.» Um Marktanteile wird heftig gerungen. Hello Fresh investiert kräftig in Werbung, im Januar wurde die Zusammenarbeit mit Starkoch Jamie Oliver verkündet. Laut Lennartz ist es eine Strategie, die aufgehen kann. «In dieser Nische gilt: The winner takes it all», sagt der Start-up-Experte.

 

Ob sich das Kochbox-Angebot bei den Kunden durchsetzen werde, sei eine andere Frage, meint der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, Christian Wiesenhütter. «An einem Abend werden die Zutaten für das Lieblingsgericht noch schnell auf dem Nachhauseweg im Supermarkt besorgt, am nächsten Tag geht's ins Restaurant, am dritten Tag kommt die Idee und das Essen aus der Box, am vierten Tag bringt der Lieferservice das fertige Essen nach Hause - weil es einfach geht.»

 

Auf dem Markt herrsche noch immer Aufbruchstimmung. Ebenso wie die Kunden tasteten sich auch viele Start-ups an die Kochbox-Idee heran, sagt Wiesenhütter. «Am Ende setzen sich die Unternehmen durch, deren Logistik die beste ist.»

 

Für Max Thinius, Sprecher des Forums Lebensmittel beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel, haben viele Logistikunternehmen bei der Lieferung von Lebensmitteln bereits Lernprozesse absolviert. «Der Kunde möchte seine Bestellung in der Regel nicht möglichst schnell gebracht bekommen, sondern zu einem bestimmten, von ihm festgelegten Zeitpunkt», sagt Thinius.

 

Wenn Liefertag, Zeitfenster und Qualität der Ware stimmten, seien die Verbraucher bei den Kochboxen auch bereit, Lieferkosten zu zahlen, sagt IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz. «Es geht ums Genießen, um ein gemeinsames Erlebnis.» Zielgruppe sei ein zahlungsstarkes, urbanes Publikum. Zu einem Durchbruch verhelfe das Konzept dem Online-Handel mit normalen Lebensmitteln daher nicht. «Die Konsumenten sind nach wie vor sehr preissensibel.» (DPA)