Mit den Grünen an der Macht sehen die Radfahrer beste Chancen, dass das Autoland Baden-Württemberg sich nun zur radfreundlichsten Region in Deutschland entwickelt. Zum Start der Radfahrsaison forderte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) auch mit Blick auf den andauernden Feinstaubalarm in Stuttgart, die umweltfreundliche Alternative deutlich stärker als bisher zu fördern.
Zwar habe sich das Land mit seinem Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann nun eine bundesweit einzigartige Radstrategie gegeben, doch bleibe noch viel zu tun, sagte ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Zum Start in die neue Fahrradsaison forderte die Organisation Garagen und geschützte Parkplätze für Räder. Weil es einen Trend gebe, sich kostspielige Fahrräder mit Elektromotoren - die Pedelecs - zuzulegen, müssten in Wohnvierteln dringend Abstellmöglichkeiten gebaut werden. «Wir begrüßen die neue Landesbauordnung, in der Fahrradstellplätze für Neubauten vorgesehen sind. Bei Bestandsbauten ist die Frage aber offen», sagte Zühlke. Die CDU hatte die Vorschrift scharf kritisiert.
«Wir brauchen auf der Straße Fahrradboxen oder -häuschen auch für Familien, die Räder, aber kein Auto haben», betonte die ADFC-Chefin. Vor allem viele junge Menschen verzichten heute auf den Kauf eines Autos. «Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass ein Fahrzeug mit vier Rädern und Nummernschild selbstverständlich auf der Straße geparkt ist - aber geschütztes Parken für Fahrräder gibt es nicht.» Zühlke verlangte für eine neue, moderne und gesunde Mobilität auch Fahrradstationen an allen Bahnhöfen sowie mehr Wege für Radfahrer.
Hauptproblem für viele Radfahrer sei noch immer die fehlende Sicherheit im Verkehr. «Viele trauen sich nicht mit dem Rad auf die Straße, weil sie sich nicht sicher fühlen. Wir wollen deshalb eine Rücksichtskampagne, weil viele Autofahrer einfach nicht wissen, wie viel Platz zwischen ihrem Außenspiegel und dem Fahrradfahrer ist», sagte Zühlke in Stuttgart. Zum sicheren Überholen sei ein Abstand von 1,50 Metern nötig.
Die ADFC-Landesvorsitzende sagte, dass der Nationale Radverkehrsplan zwar den Kommunen empfehle, zwischen acht und zwölf Euro je Einwohner zu investieren. Erreicht werde das aber nirgends. «Da sind wir ganz, ganz weit weg», sagte sie. Auch in der grün geführten Landeshauptstadt Stuttgart lägen die Ausgaben bei lediglich einem oder zwei Euro je Einwohner, kritisierte sie. Es sei zu lange zu wenig getan worden.
«Aber wenn wir die neue Radfahrstrategie des Landes anschauen und das halbwegs fristgerecht umgesetzt wird, dann haben wir bundesweit die Spitzenstellung», sagte sie. Die Strategie sieht unter anderem vor, den Radverkehrsanteil bis 2020 im Landesdurchschnitt auf 16 Prozent zu verdoppeln.
Die CDU hatte der grün-roten Regierung wiederholt eine Bevorzugung des Radverkehrs vorgeworfen und im Wahlkampf betont, einige Maßnahmen wieder rückgängig machen zu wollen.
«Radverkehr ist längst kein Nischenthema mehr», sagte Verkehrsminister Hermann, selbst ein begeisterter Radfahrer, unlängst bei der Vorstellung der Pläne. «Immer mehr Kommunen sehen Radverkehrsförderung als wichtigen Baustein der kommunalen Verkehrspolitik an», sagte der Politiker. Gleichwohl fordert der ADFC, den Worten nun auch Taten folgen zu lassen.
«Wir brauchen an vielen Straßen immer noch Querungshilfen, also Mittelinseln», sagte Zühlke. Der ADFC setzt sich für Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Landstraßen und mehr Tempo-30-Zonen ein. «Es müssen also Gefahrenstellen beseitigt, Lücken zwischen Radwegen geschlossen werden. Im April bekommt jeder Landkreis in Baden-Württemberg einen Katalog für Sofortmaßnahmen», sagte Zühlke. Verdichten müsse sich zudem das touristische Radnetz - mit mehr nationaler und internationaler Vermarktung. «Vor allem in ländliche Gebiete können die Radreisenden viel Geld bringen.» (DPA/LSW)