Europa will dem monatelangen «Durchwinken» hunderttausender Flüchtlinge von Griechenland nach Mitteleuropa einen Riegel vorschieben. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen bei ihrem heutigen Krisengipfel die sogenannte Balkanroute für gesperrt erklären. «Diese Route ist jetzt geschlossen», heißt es in der vorbereiteten Gipfelerklärung, die der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt. Die EU-Chefs werden auch zum zweiten Mal innerhalb von gut drei Monaten mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu zusammentreffen.
Die Türkei soll Migranten ohne Asylanspruch rasch zurücknehmen.
Über Monate hinweg hat entlang der Balkanroute ein Land die Flüchtlinge zu Hunderttausenden einfach an das nächste weitergereicht. Dann gingen Stacheldrahtzäune hoch, Grenzer bezogen Stellung. Mazedonien lässt kaum noch Flüchtlinge aus Griechenland passieren. Dort strandeten bereits Zehntausende Menschen.
Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz verteidigte die Schließung der Balkanroute. Staaten wie Österreich, Deutschland oder Schweden könnten nicht alle Menschen aufnehmen, die hierher kommen wollen, sagte der ÖVP-Politiker in der ARD-Sendung «Anne Will». Zu den Migranten an der mazedonischen Grenze sagte er, sie könnten Schutz auch im EU-Staat Griechenland suchen. Griechenland habe pro Kopf gerechnet weit weniger Flüchtlinge im Land als etwa Österreich und könne zudem bald mit massiver EU-Unterstützung rechnen.
Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, einzelne Staaten könnten mit Grenzschließungen die weltweiten Migrationsprobleme nicht lösen, dies führe nur zu «Dominoeffekten». Die Flüchtlinge müssten in Europa verteilt werden. Zudem gelte es, Fluchtursachen zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund sei die Feuerpause in Syrien sehr wichtig.
Mit der Türkei setzen die 28 Staats- und Regierungschefs auf Zusagen Ankaras für eine rasche Rücknahme von Migranten ohne Asylanspruch. Die Gespräche werden belastet von der staatlichen Übernahme der regierungskritischen türkischen Zeitung «Zaman» und dem Umgang Ankaras mit Menschen- und Grundrechten wie der Pressefreiheit.
Bundeskanzlerin Angela Merkel beriet in Brüssel mit Davutoglu mehrere Stunden lang über Konsequenzen aus der Flüchtlingskrise. Das bestätigten am frühen Morgen deutsche Regierungskreise. Einzelheiten wurden nicht bekannt. An dem Gespräch in der türkischen Botschaft nahm auch der niederländische Regierungschef Mark Rutte teil. Die Niederlande haben derzeit die EU-Präsidentschaft inne.
Der eintägige Gipfel ist eine wichtige Wegmarke für Merkel. Sie hat in der Krise nur noch wenig europäische Verbündete - zu ihnen gehört EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Am Sonntag (13. März) wird in drei deutschen Bundesländern gewählt.
Merkel verlangt, den bisherigen EU-Beschlüssen Taten folgen zu lassen. «Wir können diese Herausforderung nur gemeinsam bewältigen», sagte sie der «Bild am Sonntag». Es gehe um die Verwendung der Ankara zugesagten drei Milliarden Euro Flüchtlingshilfe, den Schutz der EU-Außengrenzen und Hilfen für Griechenland. Der harte Kurs zur Schließung der Balkanroute wird dem Vernehmen nach von Deutschland mitgetragen.
Nach der weitgehenden Abschottung dieser Route campieren derzeit mehr als 10 000 Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze. Der Sprecher des UN-Hilfswerks UNHCR im Flüchtlingslager Idomeni sprach am Sonntag von einer «humanitären Krise» und einem «Weckruf für die führenden Politiker der EU.»
Die EU-Staaten wollen laut Entwurf der Gipfelerklärung rasch über eine Nothilfe für Griechenland entscheiden. Die EU-Kommission hatte bis zu 700 Millionen Euro dafür vorgeschlagen. Vor dem nächsten Gipfel Mitte des Monats soll es dazu einen Beschluss geben. Das finanziell angeschlagene Griechenland soll auch beim Grenzschutz Hilfe erhalten. (DPA)