Hannover (dpa) - Nach dem größten Match seiner noch jungen Karriere riss sich Alexander Zverev das Stirnband vom Kopf und saß völlig deprimiert auf seiner Bank. Den zweiten Davis-Cup-Punkt gegen Tschechien hatte der Hamburger nach mehr als vier Stunden begeisterndem Tennis nicht holen können. Nur kurz lauschte Zverev den aufbauenden Worten des vor ihm knieenden Bundestrainers Michael Kohlmann, dann verschwand er.
Vor den Augen von Boris Becker feierte der 18-Jährige einen starken Einstand im deutschen Davis-Cup-Team und verpasste nur knapp eine Überraschung gegen den Weltranglisten-Siebten Tomas Berdych. Zverev musste sich am Freitag dem ehemaligen Wimbledonfinalisten erst nach fünf Sätzen mit 6:7 (6:8), 6:1, 6:4, 6:7 (5:7), 4:6 geschlagen geben.
«Im Moment ist es sehr bitter», sagte Zverev, als er wenig später zur Pressekonferenz erschien. «Von der Stimmung und der ganzen Situation war es vielleicht das intensivste Match, das ich bislang gespielt habe.» Berdych zollte seinem Gegner großen Respekt. «Ich habe gegen einen künftigen Top-Ten-Spieler verloren. Ich würde sogar fast sagen wollen, er ist eine künftige Nummer eins», sagte der 30-Jährige.
Zuvor hatte Philipp Kohlschreiber ebenfalls in einem Match über die volle Distanz durch einen 3:6, 6:3, 6:4, 2:6, 6:3-Erfolg gegen Lukas Rosol für die 1:0-Führung gesorgt. Damit steht es im Erstrunden-Match gegen Tschechien in Hannover nach dem ersten Tag wie erwartet 1:1. «Ich kann nur alle Hüte ziehen. Es war ein sensationelles Match von ihm, seine Leistung war überragend», sagte Kohlmann über Zverev. Am Samstag könnte damit im Doppel bereits eine Vorentscheidung fallen.
Dank des erhofften und einkalkulierten Punktgewinns der deutschen Nummer eins lastete nicht mehr so viel Druck auf Zverev. «Ich habe am Donnerstag versucht, in ihn reinzuhören», erzählte Kohlschreiber. «Er hat gesagt: Hey, kein Problem, ich spüre keine Anspannung. Das war nicht das, was ich erwartet habe. Damit war es für mich gegessen. Da brauche ich ihm auch keinen Floh ins Ohr zu setzen.»
Und genau so cool und unbekümmert trat der Teenager dann auch auf. Vor 6600 euphorisierten Zuschauern in der nun fast vollen Arena auf dem Messegelände zeigte die Nummer 58 der Welt gegen den mehr als 50 Plätze besser notierten Weltklassespieler keinerlei Nervosität. Mit vereinzelten «Deutschland, Deutschland»-Rufen per Megafon unterstützten die Fans das größte Talent seit Jahrzehnten und den jüngsten deutschen Davis-Cup-Debütanten seit Becker im Jahr 1985.
Der dreimalige Wimbledonsieger und zweimalige Davis-Cup-Champion besuchte Zverev kurz vor dem Match noch in der Kabine und unterhielt sich mit ihm und seinen Eltern. Auch von einem 0:3-Rückstand im ersten Satz ließ sich Zverev nicht aus der Konzentration bringen. Die Entscheidung fiel erst in einem hochklassigen Tiebreak.
Wie Zverev diesen unglücklichen Satzverlust nach 68 Minuten Spielzeit wegsteckte und anschließend in nur 27 Minuten den zweiten Durchgang für sich entschied, war bereits beeindruckend. Selbst auf der deutschen Bank schauten sich Kapitän Michael Kohlmann, Berater Niki Pilic und Konditionstrainer Carlo Thränhardt immer wieder fast schon ungläubig an und staunten über Tempo und Präzision des Debütanten.
Auch im weiteren Verlauf erlaubte sich Zverev fast keine echte Schwächephase. Den vierten Satz verlor er im Tiebreak, im fünften erwies er sich bis zum 3:3 als Gegner auf Augenhöhe. Dann kassierte er das Break zum 3:4 - und musste sich nach 4:20 Stunden geschlagen geben. Becker war da schon nicht mehr in der Halle - nach dem ersten Satz musste er zum Flughafen und zurück nach London reisen. (DPA)