Rote Karte für Rechtspopulisten: Mit der überraschend deutlichen Mehrheit von 58,9 Prozent haben sich die Schweizer in einer Volksabstimmung gegen die automatische und ausnahmslose Ausweisung krimineller Ausländer ausgesprochen. 41,1 Prozent waren dafür. Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) hatte die Initiative auf den Weg gebracht. Deren Erfolg galt lange Zeit als sicher. Erst ein breites Bündnis der Zivilgesellschaft hatte in den vergangenen Wochen zu einem Stimmungsumschwung geführt.
Kritiker hatten in dem Vorstoß über den ausländerfeindlichen Aspekt hinaus einen Angriff auf den Rechtsstaat gesehen. Das Nein bedeutet, dass eine etwas abgeschwächte Form der Ausweisungs-Initiative umgesetzt wird.
Vor allem in den Städten waren viele Schweizer gegen die Vorlage. In Basel lag die Ablehnung bei 70 Prozent. Die Stimmbeteiligung war mit 63 Prozent besonders hoch.
Die SVP wollte in Fragen der Ausweisung von Ausländern, die eine Straftat begangen haben, die bisher übliche Einzelfall-Prüfung durch einen Richter abschaffen. Obendrein umfasste der Ausweisungs-Katalog mehr als 50 auch minder schwere Delikte. Die Initiative sollte ohne weitere Beratung durch das Parlament Gesetz werden.
Mit der Ablehnung wird nun im Kern eine Volksabstimmung von 2010 umgesetzt. Auch dieses sieht die Ausweisung krimineller Ausländer vor, aber bei weniger Delikten und nur nach Prüfung durch einen Richter auf einen etwaigen Härtefall.
Für die SVP bedeutet das Ergebnis eine schwere Niederlage. Sie war noch als Sieger aus der Parlamentswahl im Herbst 2015 hervorgegangen. Die Rechtspopulisten erwarten nach eigenen Angaben nun die von den Gegnern versprochene «pfefferscharfe» Umsetzung der bisherigen Vorlage. Damit könnten pro Jahr 3800 straffällig gewordene Ausländer des Landes verwiesen werden, meinte die SVP in einer Stellungnahme.
Das Ergebnis wurde von den Gegnern der Durchsetzungsinitiative als ermutigendes Signal der Zivilgesellschaft gedeutet. «Wir haben genug von der Angstmacherei der SVP», sagte Flavia Kleiner von der Plattform «Nein zur Durchsetzungsinitiative». «Gasse dicht machen, geht nicht. Auch offener Fremdenhass nicht», sagte sie im Schweizer Fernsehen.
Im November 2015 waren noch 66 Prozent der Eidgenossen für die sogenannte Durchsetzungsinitiative. Als einer der entscheidenden Punkte galt das wachsende Bewusstsein, dass eine automatische Ausweisung an den Grundpfeilern eines Rechtsstaates rütteln würde. Die Beseitigung von Minderheiten- und Individualrechten sei «nicht mit bisher geltenden Konzept der Schweizerischen Demokratie vereinbar», hatte Bundesrichter Thomas Stadelmann betont.
Volksabstimmungen zu Ausländerfragen haben in der Schweiz eine lange Tradition. Das Land ist zwar von der aktuellen Flüchtlingskrise fast nicht betroffen, aber hat mit 25 Prozent einen extrem hohen Ausländeranteil.
Erst vor zwei Jahren hatten sich die Schweizer gegen die Masseneinwanderung und damit gegen den freien Zuzug von EU-Bürgern ausgesprochen. Da dieser Volkswille gegen europäische Bestimmungen zur freien Wahl des Wohnsitzes verstößt, sucht die Regierung in Bern nach einem politisch gangbaren Weg zur Umsetzung. (DPA)