Emotionaler Infantino gewinnt spannende FIFA-Wahl

Gianni Infantino ist neuer Präsident des Fußball-Weltverbands FIFA. Foto: Ennio Leanza
Gianni Infantino ist neuer Präsident des Fußball-Weltverbands FIFA. Foto: Ennio Leanza

Tief bewegt fasste sich Gianni Infantino an sein Herz und schaute ergriffen an die Decke des Zürcher Hallenstadions. Überraschend entschied der 45-jährige Schweizer in einem spannenden Finish den Machtkampf um den FIFA-Thron für sich und fand danach kaum die passenden Worte. «Uff», sagte der bisherige UEFA-Generalsekretär und formuliert sein Ziel: «Ich will eine neue Ära bei der FIFA einläuten, bei der der Fußball wieder ins Zentrum rückt.»

 

 

Infantino muss nun - in der Nachfolge seines gestürzten Landsmanns Joseph Blatter - die FIFA nach unzähligen Affären und Skandalen aus der Mega-Krise führen. Der Zögling des gesperrten UEFA-Chefs Michel Platini setzte sich beim außerordentlichen Kongress am Freitag in Zürich im zweiten Wahlgang gegen den lange als Top-Favorit gehandelten Scheich Salman bin Ibrahim al Chalifa aus Bahrain durch.

 

Infantino ist der neunte FIFA-Präsident in der 112-jährigen Geschichte des Weltverbandes und der zweite aus der Schweiz.

 

Nach nervenzehrenden achteinhalb Kongressstunden erhielt der auch vom Deutschen Fußball-Bund unterstützte Infantino um 17.59 Uhr das für ihn erlösende Ergebnis: 115 Stimmen bedeuteten die Mehrheit. Er muss nun für einen Ausgleich mit der Salman-Fraktion sorgen und das bei ungewöhnlich knapper FIFA-Kasse und mit den Ermittlungen der Justiz als großer Drohkulisse.

 

«Ich traue Gianni Infantino zu, dass ihm die Wende in Sachen Ansehen und Glaubwürdigkeit der FIFA gelingt», sagte Wolfgang Niersbach, deutscher Vertreter im Exekutivkomitee. Ein Auseinanderdriften der Fußball-Welt fürchtet Infantino nicht. «Der Fußball ist nicht gespalten. Wir hatten heute eine Wahl, aber keinen Krieg. Es war ein Rennen, aber kein Kampf.» Er wolle die Fußball-Kontinente vereinen und sei kein «Kandidat Europas, sondern ein Kandidat des Fußballs.»

 

Infantinos erste Amtszeit geht bis 2019. Dann kann er wegen der neuen Statuten noch acht Jahre bleiben - und somit nicht die Dauer-Führung seiner Vorgänger João Havelange (24 Jahre) und Blatter (18) kopieren. Blatter ließ kurz nach der Wahl seine Glückwünsche ausrichten. «Er ist ein würdiger Nachfolger», sagte Blatter. «Er hat alle Qualitäten meine Arbeit fortzusetzen und die FIFA wieder zu stabilisieren.»

 

88 Stimmen für den geschlagenen Scheich Salman, der - für viele überraschend - nicht zum ersten asiatischen FIFA-Chef gewählt wurde, machen deutlich, dass die Infantino-Mehrheit nicht bequem war. Blatter hatte bei fünf Wahlen nie in die zweite Runde gemusst, erstmals seit 1974 gab es überhaupt einen weiteren Wahlgang. Blatter hatte auch niemals so viele Gegenstimmen hinnehmen müssen. Kurz vor der Abstimmung war das Bewerberfeld auf vier Kandidaten geschrumpft, nachdem der chancenlose Tokyo Sexwale seinen Rückzug erklärt hatte.

 

Sofort will Infantino mit seiner Arbeit beginnen. Einen Generalsekretär will er bald finden - es wird kein Europäer sein. Sein Wahlspruch, den Fußball zurück zur FIFA zu bringen, muss er mit Leben füllen. Für seinen Plan, die WM auf 40 Teams aufzustocken, kritisieren ihn sogar viele seiner europäischen Verbündeten. Eine große Frage wird sein, ob der im System Blatter-Platini sozialisierte Jurist in der Lage ist, für eine neue Kultur zu sorgen.

 

Bereits im ersten Wahlgang lag Infantino mit 88 Stimmen knapp vorn. Scheich Salman musste seine Niederlage schließlich einräumen. Infantino hatte eine engagierte Schlussrede gehalten. Großen Applaus bekam er vor allem für seine finanziellen Versprechungen. «Ich frage Sie alle: Wenn die FIFA fünf Milliarden einnimmt, können wir dann nicht 1,2 Milliarden reinvestieren. Das Geld der FIFA ist Ihr Geld. Das Geld der FIFA muss der Entwicklung des Fußballs dienen.» Dies war von Scheich Salman als unseriös kritisiert worden.

 

Sein Wahlkampf im Turbomodus hatte Infantino in den letzten Wochen von einem Außenseiter zum ernsthaften Kandidaten gemacht. Nun ist er in der Fußball-Hierarchie ganz oben und das nur, weil sein Ziehvater Platini in den Strudel der Skandale geriet und seine Ambitionen auf den FIFA-Thron begraben musste. «Ich habe vor fünf Monaten noch gar nicht daran gedacht, überhaupt zu kandidieren», sagte er.

 

Auch für den DFB ist es ein Sieg. Der designierte Präsident Reinhard Grindel hatte für Infantino gestimmt. Scheich Salman war vom DFB stark kritisiert worden. Es gibt Vorwürfe, dass er bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung in seiner Heimat 2011 oppositionelle Fußballer denunziert haben soll. Vor der Halle demonstrierten Menschenrechtsgruppen gegen Folter und Gewalt durch die Herrscher in Bahrain.

 

Einen wichtigen Schritt aus der Krise hatte die FIFA kurz zuvor gemacht. Bei der Abstimmung über die dringend notwendigen Reformen votierte die notwendige Drei-Viertel-Mehrheit für das Paket, das unter anderem eine Machtbeschränkung für den Präsidenten und die Exekutivmitglieder vorsieht. Insgesamt stimmten 179 von 207 Verbänden für die Reformen, 22 lehnten diese ab, sechs gaben kein Votum ab. Hätte sich die FIFA den Reformen verweigert, wäre in der Korruptionsaffäre vor allem der Druck der US-Behörden gestiegen.

 

Die Krise hat bereits ernste Konsequenzen für die FIFA. Die sonst so glänzende finanzielle Situation ist plötzlich prekär. Finanzdirektor Markus Kattner sprach von einem derzeit zu erwartenden Defizit für den Zyklus bis 2018 von 550 Millionen Dollar im Vergleich zu den Prognosen aus dem Jahr 2014. Dies würde die Rücklagen des Fußball-Weltverbandes von rund 1,5 Milliarden Dollar aus dem Jahr 2014 um rund ein Drittel reduzieren. (DPA)