Die deutsche Wirtschaft will angesichts der guten Konjunktur verstärkt Flüchtlinge als Auszubildende und Arbeitskräfte gewinnen. Nach dem Zentralverband des Deutschen Handwerks starteten auch die Industrie- und Handelskammern in Berlin ein groß angelegtes Aktionsprogramm. Jede einzelne IHK werde dafür aktiv bei der Beratung von Unternehmen sowie bei der beruflichen Orientierung und Ausbildungsvermittlung von Flüchtlingen, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. Dafür stünden 20 Millionen Euro in diesem Jahr bereit, 170 Mitarbeiter in den Kammern kümmerten sich darum.
Jungen Flüchtlingen müsse auch gezeigt werden, dass es in Deutschland besser sei, eine berufliche Ausbildung zu absolvieren als einen Job für den Mindestlohn von 8,50 Euro anzunehmen, hieß es. Nötig seien schnellere Asylverfahren und mehr Sprachkurse.
Auch viele Handwerksbetriebe in Deutschland sind offen für die Ausbildung von Flüchtlingen. Eine rasche Abhilfe beim Lehrlingsmangel verspricht man sich aber etwa im Lebensmittelhandwerk nicht, wie der Präsident des Deutschen Fleischer-Verbandes, Heinz-Werner Süss, auf der Handwerksmesse IHM (bis 1. März) in München deutlich machte. «Ich glaube schon, dass wir hier ein Potenzial haben, aber das geht nicht von heute auf morgen.» Generell hätten es die gut eine Million Handwerksbetriebe in Deutschland schwer, Lehrlinge zu finden, weil viele junge Leute «lieber Krawatte tragen». Wer keinen Handwerksberuf ergreifen wolle, den könne man auch kaum überzeugen, sagte Süss.
Im vergangenen Jahr blieben nach Angaben des Handwerksverbandes ZDH rund 17 000 Lehrstellen im Handwerk unbesetzt, damit war die Lücke zwar etwas kleiner als im Vorjahr, doch angesichts des Akademisierungstrends und der demografischen Entwicklung ist keine Entspannung in Sicht. Hinzu kommt die gute Handwerkskonjunktur, die nach Einschätzung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform mindestens noch bis kommenden Herbst halten dürfte. Das erhöht auch den Personalbedarf. Um die Aufträge abarbeiten zu können, wollen rund 59 Prozent der Betriebe in den kommenden Monaten Geld ins Geschäft stecken und jeder fünfte Betrieb seine Belegschaft aufstocken, ergab eine Umfrage von Creditreform.
Der Flüchtlings-Zustrom erhöht derweil auch die Wohnungsnachfrage in Deutschland - und davon wiederum profitiert die Bauwirtschaft, die zuversichtlich ins Jahr gestartet ist. Allerdings hinke die Neubautätigkeit dem Bedarf an preiswertem Wohnraum vor allem in den Ballungsräumen weiter hinterher, sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Karl-Heinz Schneider.
Jährlich würden etwa 400 000 Wohnungen in Deutschland gebraucht. Doch 2016 dürften nur für rund 300 000 Wohnungen Genehmigungen erteilt werden. Zur Beschleunigung setzt die Bauwirtschaft auch auf sogenannte Typen-Häuser, für die das Bundesbauministerium nun eine entsprechende Musterbauordnung erarbeiten solle. (DPA)