Zeitung lesen mit Facebook auf dem Smartphone geht schon längst. Und auch Zeitschriften oder Fernsehsender sind dort vertreten. Facebook hat den Kreis der Medien jüngst ausgeweitet, die testweise in der mobilen Facebook-App nicht nur Anreißer ihrer Inhalte veröffentlichen, sondern komplette Artikel. «Instant Articles» heißt das Projekt, bei dem multimediale Berichte von «BuzzFeed» oder dem «Guardian» genauso mobil gelesen werden können wie solche von «Spiegel online».
Waren Ende vergangenen Jahres erst ein halbes Dutzend Testpartner mit von der Partie, sollen es in diesem Jahr erheblich mehr werden.
Ende November gab Facebook 25 weitere Medienpartner aus Deutschland, der Schweiz und Österreich bekannt. Darunter sind die «Tagesschau», das «Handelsblatt», der «Tagesspiegel» aus Berlin, der «Stern», «RP Online» oder die «NZZ» aus Zürich. Und in der aktuellen Studie «Trends der Zeitungsbranche 2016» im Auftrag des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger gaben sogar 49 Prozent der Verlage an, künftig redaktionelle Inhalte auf Plattformen wie Facebook anbieten zu wollen. Und nun hat Facebook am gestrigen Mittwoch angekündigt, das Instant-Article-Projekt für alle Publisher weltweit zu öffnen: Ab dem 12. April können Verlage egal wo und welcher Größe Instant Articles veröffentlichen.
«Spiegel online», das neben «Bild.de» zu Facebooks ersten Medienpartnern in Deutschland zählte, veröffentlicht dort zurzeit etwa 30 bis 40 Prozent aller Beiträge als Instant Article. Für den Social-Media-Leiter Thorsten Beeck spräche grundsätzlich nichts dagegen, alle Inhalte zur Verfügung zu stellen. «Das Feedback unserer Nutzer ist sehr positiv.» In der aktuellen Testphase gehe es aber darum, zum Beispiel auch Reichweiten- und Vermarktungsentwicklung zu analysieren.
Neben anderen hat «Zeit online» ebenfalls mit dem Test von Instant Articles begonnen. Dabei ist nach Angaben von Chefredakteur Jochen Wegner vor allem interessant, ob die Nutzung solcher Inhalte tatsächlich intensiver ist als die anderer, ob sich dadurch neue Leser gewinnen lassen und wie die Vermarktung funktioniert. «Nachdem wir das geprüft haben, diskutieren wir die nächsten Schritte.»
Die Redaktion von «Bild.de» experimentiert inzwischen auch mit Facebooks Messenger-Funktion - nach Verlagsangaben als allererste überhaupt. Zum Auftakt wurden mit Hilfe des Berliner Startups Spectrm Nachrichten per Messenger zur Transferphase der Bundesliga oder zum jüngsten «Dschungelcamp» auf RTL. Wie weit sich das ausbauen lässt, wird gerade getestet.
Aber warum gerade Facebook? «Facebook hat weltweit 1,6 Milliarden aktive Nutzer, das heißt, die breite Masse hält sich nun einmal dort am häufigsten und am längsten auf», sagt Stephan Weichert, Professor für Journalismus und Digitale Kommunikation an der Hochschule Macromedia in Hamburg. Gemeinsam mit WhatsApp, das ebenfalls zum Unternehmen gehört, sei es der erfolgreichste Player im Social-Media-Bereich. «Es ist für viele Verlage nur konsequent, dort präsent zu sein.»
Für die Medien dürfte nicht zuletzt interessant sein, auf Facebook User zu erreichen, die keine Vorliebe für Printprodukte haben. Dorthin zu gehen, wo neue Zielgruppen schon zu finden sind, klingt einleuchtend. Wenn Medien die Vermarktung von Werbung selbst in die Hand nehmen, dürfen sie die Einnahmen außerdem komplett einstreichen. Übernimmt Facebook das Geschäft, behalten sie noch 70 Prozent. Hinzu kommt: Bei Instant Articles bauen sich die Inhalte auf dem Display des Smartphones deutlich flotter auf als Homepages am Rechner. Und wenn User eines nicht mögen, dann sind das lange Ladezeiten.
Allerdings war das Projekt von Anfang an umstritten: «Werden Leser überhaupt noch wahrnehmen, woher eine Geschichte stammt?», hat Jill Abramson, die frühere Chefredakteurin der «New York Times», skeptisch gefragt. Denn wenn die Artikel alle auf einer Plattform zu finden sind, ist für Leser dann noch wichtig, woher sie stammen? Oder verliert das Medium als Marke an Bedeutung, das den Text liefert?
Skeptisch ist auch die «tageszeitung» («taz») aus Berlin: «Via Facebook kommen Leserinnen und Leser auf "taz.de": Gerne. Wir überantworten Facebook gleich unseren Journalismus? Nein, danke», lautet die Position der Chefredaktion. Zwar hat die «taz» mehr als 200 000 Facebookfreunde, die dazu beitragen, dass Berichte, Kommentare, und Reportagen auf «taz.de» gelesen werden. Aber das freiwillige Finanzierungsmodell «taz zahl ich» funktioniere nur auf der eigenen Website, so Chefredakteur Georg Löwisch. Texte gratis auf Facebook zu veröffentlichen, macht für die «taz» daher keinen Sinn. Das werden sicher einige andere auch so sehen. (DPA)