Der Stromkonzern EnBW hat mit seiner Klage gegen die Zwangsabschaltung zweier Atom-kraftwerke nach Fukushima nur wenig Chancen: «Die Klage erscheint, was die Erfolgsaussichten angeht, als wacklig», sagte der Vorsitzende Richter der Zivilkammer des Landgerichts Bonn, Stefan Ballin, am Mittwoch bei der mündlichen Verhandlung. EnBW habe gegen die Abschaltungsanordnung für seine Atomkraftwerke im März 2011 keine Klage eingereicht, obwohl diese zumutbar gewesen wäre und eine aufschiebende Wirkung gehabt hätte.
«Das führt zu erheblichen Bedenken, dass wir dem Anspruch stattgeben könnten», sagte der Richter.
EnBW will insgesamt 261 Millionen Euro Schadenersatz erstreiten. Der Konzern sieht sich geschädigt durch das Atommoratorium, das die Bundesregierung und die Länder 2011 nach der Reaktorkatastrophe in Japan für die sieben ältesten deutschen Blöcke verhängt hatten. Wenig später folgte das endgültige Aus für bundesweit zunächst acht Kraftwerke. Bei EnBW waren die Kraftwerksblöcke Neckarwestheim I bei Heilbronn und Philippsburg I nahe Karlsruhe betroffen.
Der Anwalt des Konzerns erklärte, trotz der Bedenken des Gerichts an der Klage festzuhalten. Die Anordnung sei rechtswidrig gewesen. EnBW hätte gar keine Chance gehabt, innerhalb der drei Monate des Moratoriums juristisch eine Rücknahme der Anweisung zu erreichen. Deswegen sei es im Rückblick egal, dass das Unternehmen die Anordnung nicht angefochten habe. Das Gericht will seine Entscheidung am 6. April verkünden.
Der Vorsitzende zitierte aus einer Pressemitteilung des EnBW-Konzerns vom 13.4.2011. Danach hatten Vorstand und Aufsichtsrat trotz starker Zweifel an der Rechtmäßigkeit gemeinsam beschlossen, keine Rechtsmittel gegen die Zwangsabschaltung einzulegen. Dies geschehe mit Rücksicht auf langfristige Kundenbindungen und die Akzeptanz des Unternehmens, hieß es dort sinngemäß. Wenn man aus Akzeptanzüberlegungen auf eine Klage verzichte, sei es fraglich, ob man später Schadenersatz verlangen könne, sagte der Richter.
Die Klage ist Teil einer Reihe von mehr als 20 Verfahren, mit denen sich die deutsche Energiewirtschaft gegen den schnellen deutschen Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 wehrt.
Der RWE-Konzern hatte bereits Ende 2015 vor dem Essener Landgericht einen ähnlichen Prozess wegen seines Atomkraftwerkes in Biblis (Hessen) angestrengt. Dort läuft das Verfahren noch. Es deutet sich aber nach der ersten mündlichen Verhandlung an, dass mögliche Zahlungen deutlich niedriger ausfallen könnten als vom Konzern angestrebt. Eon will demnächst vor das Landgericht Hannover ziehen.
Die Energiekonzerne Eon, RWE und Vattenfall klagen darüber hinaus auch grundsätzlich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Atomausstieg. Da sich die EnBW zu fast 100 Prozent in öffentlicher Hand befindet, ist ihr eine solche Verfassungsbeschwerde verwehrt. (DPA/LSW)