Beim Aufräumen des Kellers oder Dachbodens können manchmal Schätze zutage kommen: Jahrzehntealte Sparbücher beispielsweise, die innerhalb der Familie schlicht in Vergessenheit geraten sind. Der Jubel über den unverhofften Fund ist groß - doch werden die Gelder noch ausgezahlt? Über die Jahre hinweg können sehr große Summen zusammengekommen. Also dann - nichts wie hin zur Bank oder Sparkasse. Normalerweise klappt das Auszahlen ohne Probleme. «Das Sparbuch ist wie eine Urkunde, es ist ein Inhaberpapier», sagt Julia Topar vom Bundesverband deutscher Banken mit Sitz in Berlin. Das heißt:
Wer ein Sparbuch vorlegt, bekommt das Guthaben auf Wunsch ausbezahlt. Soweit die Regel. Doch in der Praxis läuft es nicht immer so glatt.
Der Frankfurter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Klaus Hünlein weiß von mehreren Fällen, bei denen Geldinstitute die Auszahlung verweigert haben - und das «mit lapidaren Behauptungen». Mal war die Rede davon, dass der einstige Sparbuchinhaber das Geld vor langer Zeit schon abgehoben habe, berichtet Hünlein. In anderen Fällen hieß es, das Guthaben sei auf ein anderes Konto des Sparers übertragen worden. Insofern sei das vorgelegte Sparbuch ohne Wert. Auch Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kennt solche Fälle. Ihr Rat: «Betroffene sollten keinesfalls vorschnell aufgeben.»
Kann es denn sein, dass die Bank das Guthaben auszahlt - ohne einen entsprechenden Vermerk im Sparbuch? In früheren Jahren sei dies durchaus vorgekommen, sagt Topar. Damals mussten Kunden das Sparbuch nicht bei der Bank vorgelegen. Doch dann gebe es andere Belege: «In diesem Fall hat das Geldinstitut den Kunden die Auszahlung quittieren lassen», erklärt die Bankensprecherin. «Das Geldinstitut - und nicht der Kunde - ist im Zweifelsfall verpflichtet nachzuweisen, dass eine Auszahlung bereits in der Vergangenheit erfolgte», betont Oelmann. Nicht immer sind Banken in der Lage, einen solchen Nachweis zu erbringen, sagt Hünlein. Er rät Betroffenen: Sie sollten einen Anwalt einschalten, er kann das zustehende Geld einklagen - häufig bekommen Kläger vor Gericht Recht, weiß der Jurist.
Einige Banken und Sparkassen sind dazu übergegangen, Sparguthaben intern auszulösen - wenn es dort seit zehn Jahren keine Einzahlungen oder Abhebungen mehr gab, berichtet Hünlein. Die jeweiligen Guthaben würden zunächst auf ein sogenanntes Verwahrkonto transferiert. «Von dort aus wird das Geld nach einiger Zeit von den Banken selbst vereinnahmt», erklärt der Jurist. Nach außen hin werden solche Fälle ihm zufolge «natürlich unter den Teppich gekehrt». Wenn doch jemand ein Sparbuch vorlegt und Anspruch auf ein Guthaben erhebt, werde er nicht selten mit haltlosen Argumenten abgewimmelt.
«Eine Bank kann sich nicht auf Beweisnot berufen oder darauf, dass sie nicht mehr im Besitz der alten Unterlagen ist», erklärt Hünlein. Sie ist verpflichtet, das Sparguthaben auszuzahlen. Die Verjährung beginnt erst mit einer Kündigung des Sparbuchs. «Die Bank kann also nicht einwenden, dass der Anspruch verjährt ist», sagt Oelmann. Kunden können diesen noch Jahrzehnte nach der letzten Kontobewegung geltend gemachen.
Wer also ein altes Sparbuch findet, sollte sich zunächst an die Bank oder Sparkasse wenden und eine Auszahlung des Betrags fordern. Dann gilt: «Geldinstitute sind berechtigt, nicht verpflichtet, eine Legitimierung durchzuführen», sagt Topar. Sie können also prüfen, ob die Person, die das Sparbuch vorlegt, wirklich der Besitzer ist oder als rechtmäßiger Inhaber bevollmächtigt wurde.
«Gerade bei höheren Beträgen sollten sich Betroffene von einem Zeugen begleiten lassen», rät Oelmann. Außerdem gilt: Das Sparbuch keinesfalls unnötigerweise aus der Hand geben oder es gar bei der Bank zurücklassen. «Die Bank ist nur gegen Vorlage des Originals zur Auszahlung verpflichtet», erklärt Hünlein.
So ein vergessener Schatz ist gar nicht so unwahrscheinlich: «Wenn man bedenkt, dass das Sparbuch über viele Jahrzehnte hinweg die klassische Form der Geldanlage war, dann dürften es über die lange Zeit hinweg nicht gerade wenige Sparbücher sein, die bei ihren Besitzern oder Erben in Vergessenheit geraten sind», sagt Hünlein.
Verweigert das Geldinstitut die Auszahlung, sollten Kunden es noch einmal schriftlich - unter Fristsetzung - dazu auffordern. Zusätzlich können sie Kontakt zu den Ombudsleuten des Bankenverbands aufnehmen.