Kretschmann will straffällige Flüchtlinge zurückschicken

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen). Foto: Bernd Weißbrod/Archiv
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/ Die Grünen). Foto: Bernd Weißbrod/Archiv

Stuttgart (dpa/lsw) - Nach den Silvesterangriffen auf Frauen zeigt sich die grün-rote Landesregierung offen für mögliche Gesetzes-verschärfungen. Mit Blick auf Flüchtlinge unter den mutmaßlichen Tätern sagte Minister-präsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart: «Wer straffällig geworden ist, hat sein Bleiberecht verwirkt. Soweit gesetzliche Änderungen dazu notwendig sind, wird sich die Landesregierung dem nicht verschließen.» Grundsätzlich müssten Straftäter abgeschoben werden - es sei denn, es drohe ihnen in ihrer Heimat Folter oder Tod.

CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf warf Kretschmann Wahltaktik vor.

 

Damit zielte der grüne Regierungschef in dieselbe Richtung wie die schwarz-rote Bundesregierung, die nach den Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) anstrebt, Ausländer bei sexuellen Übergriffen und anderen Straftaten leichter abzuschieben. Union und SPD beraten auch darüber, eine «Wohnsitzauflage» für anerkannte Flüchtlinge einzuführen, damit sie nicht in großer Zahl in die Großstädte ziehen und sich dort «Ghettos» bilden. Kretschmann steht diesem Ansinnen nach Angaben seines Sprechers Rudi Hoogvliet «sehr aufgeschlossen» gegenüber. «Zugleich muss es natürlich möglich sein, wegen eines Jobs oder einer Ausbildung den Wohnsitz zu wechseln», sagte Hoogvliet.

 

Kretschmann sagte, es handele sich bei diesen Straftaten aus der Silvesternacht etwa in Köln um eine «neue Qualität». Davor müsse die Bevölkerung geschützt werden. Umgekehrt müsse es aber auch Schutz für Flüchtlinge vor dem «rechtsradikalen Mob» geben. Kretschmann kündigte an, dass in den Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge eine flächendeckende Videoüberwachung eingeführt werde. Allein reisende weibliche Flüchtlinge sollen getrennt von alleinstehenden männlichen Flüchtlingen untergebracht werden, um sie vor möglichen sexuellen Übergriffen zu schützen. Ethnische Gruppen würden voneinander getrennt, wenn es untereinander Konflikte gebe.

 

In der Silvesternacht waren zahlreiche Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen worden. Mehrere Tatverdächtige sind laut Polizei ausländischer Herkunft. Auch in Stuttgart gab es Zwischenfälle: Die Polizei geht mehr als 30 Anzeigen nach. Bei allen geht es um sexuelle Belästigung, bei einigen auch zusätzlich um Diebstahl.

 

Kretschmann will darauf dringen, dass Asylanträge von Flüchtlingen aus Nordafrika vorrangig bearbeitet werden. «Es ist augenscheinlich, dass von dort problematische Gruppen zu uns ins Land kommen.» Menschen aus den Maghreb-Staaten hätten eine sehr geringe Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Es gebe Erkenntnisse, dass junge Männer aus Nordafrika syrische Frauen sexuell belästigen. Solche Übergriffe führten wiederum zu Auseinandersetzungen zwischen syrischen Männern und zum Beispiel algerischen Asylbewerbern.

 

Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatte nach den Zwischenfällen in Köln mit unzählig sexuell belästigten Frauen und zig Diebstählen einen Maßnahmenkatalog vorgelegt: Er sieht unter anderem vor, dass das Landespolizeipräsidium ein Gesetz zur Einführung von Schulterkameras erarbeiten soll - allerdings zunächst nur als Vorlage für die nächste Landesregierung. Vor der Landtagswahl am 13. März schafft es der Entwurf nicht mehr durch den Landtag.

 

CDU-Spitzenkandidat Wolf kritisierte, Kretschmann gebe acht Wochen vor der Landtagswahl den Hardliner. «Er fordert jetzt etwas, das er jahrelang verhindert hat.» FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und FDP-Justizexperte Ulrich Goll warfen der Landesregierung vor, nur auf öffentlichen Druck hin Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit zu ergreifen. Er erwarte mit Spannung, wie sich Kretschmann zu Forderungen nach der Anerkennung von nordafrikanischen Staaten als sichere Herkunftsländer positioniere, sagte Rülke.

 

Kretschmanns Sprecher Hoogvliet sagte, der Regierungschef sehe die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer skeptisch. «Kretschmann ist ein pragmatischer Politiker und konzentriert sich auf Maßnahmen, die wirken.» Das Konstrukt der sicheren Herkunftsländer ist innerhalb der Grünen umstritten. Aus der CSU waren Forderungen gekommen, Marokko und Algerien in den Kreis dieser Länder aufzunehmen. In solche Länder können Flüchtlinge leichter zurückgeschickt werden. (DPA)