Der Berliner Startup-Gründer Hans Stier hat sich 2013 auf einen geschäftlichen Marathon-lauf eingelassen, bei dem viele andere Unternehmer wohl längst hingeschmissen hätten. Stier will mit seiner Firma Bonaverde den Vertrieb und den Konsum von Filterkaffee komplett erneuern. Doch sein hochgestecktes Ziel geriet zwischendurch fast außer Sichtweite. Bei der Entwicklung einer neuartigen Kaffeemaschine, mit der grüne Kaffeebohnen in einem Rutsch geröstet, gemahlen und aufgebrüht werden, tauchten immer wieder massive Schwierigkeiten auf.
So machte das Mahlwerk schon nach wenigen hundert Durchgängen schlapp und musste durch eine Neukonstruktion ausgetauscht werden. Auf der Technik-Messe CES 2016 in Las Vegas sieht sich Stier mit seinem kleinen Team nun aber auf der Zielgeraden.
Auf dem ersten Modell der Kaffeemaschine «Bonaverde Berlin» fehlen zwar noch die Stempel der internationalen Prüfinstitutionen - die sollen in wenigen Wochen alle vorliegen. Die Besucher der CES können sich aber nicht nur ein Bild von der großen Kaffeemaschine im strahlend weißen Kunststoffgehäuse machen, sondern auch frisch gerösteten Filterkaffee von Bonaverde probieren.
Die grünen Kaffeebohnen sollen ohne die im herkömmlichen Kaffeehandel zwischengeschalteten Großhändler, Großröstereien und Einzelhändler direkt von den Kaffeebauern in Lateinamerika bei den Bonaverde-Kunden landen. Die Verteilung an die Verbraucher übernehmen dezentral organisierte «Kaffee-Botschafter» vor Ort. «Im konventionellen Handel wechselt der Kaffee bis zu 17 Mal seinen Besitzer, und alle wollen daran mitverdienen. Wir nehmen da etliche Zwischenstufen raus», sagt Stier.
Bonaverde zehrt derzeit noch von Vorschusslorbeeren aus dem Netz. Bei einer breit angelegten Crowdfundig-Aktion 2014 kamen insgesamt rund 2,5 Millionen Euro über die Plattformen Seedmatch, Kickstarter und Indiegogo zusammen. Mit der Finanzierungsmethode ging Bonaverde aber auch große Verpflichtungen ein, denn rund 5000 Unterstützer aus der «Crowd» warten seitdem auf ihre Maschine. Die «Coffee-Changer» (Kaffee-Veränderer) der ersten Stunde sollen nun ab August bedient werden.
Stier hofft, dass sich sein Konzept dann im Netz viral verbreiten wird. Er zeigt sich sicher, dass die Qualität überzeugen werde: «Der frisch geröstete Kaffee hat noch nicht seine Aromen durch Oxidation verloren», verspricht der Firmengründer in Las Vegas. Kaffeeliebhaber könnten dabei selbst bestimmen, ob die frisch gerösteten Bohnen noch warm verarbeitet werden oder ob sie etwas abkühlen und «reifen» sollen.
Damit die unterschiedlichen Bohnen mit der jeweils richtigen Temperatur geröstet werden, kommt High-Tech ins Spiel. Die Beutel aus Mexiko, Kolumbien oder Nicaragua enthalten einen RFID-Chip, mit dem individuelle Röstprofile drahtlos an die Maschine übertragen werden. Die von den Farmern vorgeschlagenen Temperaturverläufe können über eine Smartphone-App auch verändert werden, wenn ein Aficionado beispielsweise seinen Kaffee gerne etwas schärfer gebrannt haben möchte. Eine Mobilfunkkarte verbindet Kaffeemaschine und App mit der Bonaverde-Cloud, über die man Bohnen bestellen kann, die aber auch die Kunden benachrichtigt, wenn beispielsweise der Luftfilter ausgetauscht werden muss.
Der frisch geröstete Kaffee soll aber nicht nur besser schmecken, als die Produkte von Großröstereien. Bonaverde verspricht auch den Bauern auf den Kaffeeplantagen ein besseres Auskommen. «Von einem Euro, den die Verbraucher für geröstete Kaffeebohnen oder gemahlenen Kaffee ausgeben, landen durchschnittlich nur sechs Cent bei den Farmern», sagt Stier. «Das deckt häufig nicht einmal die Kosten.» Beim Direktvertrieb könnten sie deutlich größere Erlöse erzielen. Der Kaffee soll dabei soviel kosten wie fair gehandelter Kaffee im Einzelhandel.
Auf der CES erregte Bonaverde nicht nur die Aufmerksamkeit von Kaffee-Insidern, die beispielsweise für Kaffeespezialitäten aus Asien die notwendigen RFID-Chips programmieren wollten. Auch Technologie-Blogs wie TechCrunch baten Bonaverde-CEO Stier auf die Bühne, um seine Vision von der Kaffee-Revolution zu erläutern. «Die CES ist für uns ein wichtiger Meilenstein», sagt der studierte Jurist. Ein Scheitern der großen Idee sei aber noch immer nicht vollständig vom Tisch. «Wir können auch auf der Zielgeraden noch ins Straucheln geraten.» (DPA)