Severin Freund stand nach seinem Traumstart in die 64. Vierschanzentournee im Hexenkessel von Oberstdorf und genoss die Ovationen der Fans. Aus 25 500 Kehlen schallte der Klassiker «Oh, wie ist das schön», nachdem der Weltmeister in einem dramatischen Wettbewerb den ersten deutschen Auftaktsieg seit Sven Hannawald vor 13 Jahren und den 21. Weltcuperfolg seiner Karriere gefeiert hatte. «Wir räumen ein wenig mit den Altlasten auf. Es hat lange gedauert. Ich freue mich wahnsinnig», sagte Freund. «Das ist ein wunderschöner Moment.
Es war bombastisch. Die Siegerehrung war schon etwas Spezielles.»
Erste Gratulanten waren Freunds Eltern, die sich wie die anderen DSV-Springer glückselig in den Armen lagen. Nach Sprüngen auf 126 und 137,5 Meter verwies Freund mit 307,2 Punkten den Österreicher Michael Hayböck, der auf 130 und 139 Meter kam, und Topfavorit Peter Prevc aus Slowenien auf die Plätze.
Der Weltcup-Spitzenreiter geht nach Sprüngen auf 129,5 und 130 Meter mit einem Rückstand von 7,3 Punkten in das Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen. «Ich dachte, ich sei der Beste. Das war nicht so, deshalb bin ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden», sagte Prevc.
«Es ist erst ein kleiner Teil der Tournee», bremste Freund umgehend die Euphorie. «Ich wusste vorher, dass ich sehr gut springen kann. Die gesamte Vorarbeit war sehr gut. Ich bin aber noch nicht da, wo ich bei der WM war. Mit diesem Sieg kann sich etwas sehr Gutes entwickeln.»
Die deutschen Fans träumen jedenfalls schon vom ersten Gesamtsieg seit dem Grand-Slam von Hannawald in der Saison 2001/02. Der bisher letzte deutsche Tournee-Held gratulierte dem umjubelten Gewinner umgehend via Twitter. «Geile Stimmung, geiles Springen, deutscher Sieg ... ich freue mich für alle Trainer, Beteiligten und natürlich Severin Freund», schrieb Hannawald.
Im Schatten von Frontmann Freund sprang Richard Freitag mit 121 und 130 Meter auf Platz neun. Andreas Wank als 13., Stephan Leyhe auf Platz 14 und Andreas Wellinger als 15. komplettierten den gelungenen Start der DSV-Adler in die Tournee.
Freund hatte sich vor dem ersten Sprung auf Prevc als Tagessieger festgelegt. Danach sah es zur Halbzeit auch aus, denn der Slowene lag nach einem Sprung auf 129,5 Meter in Führung. Zu diesem Zeitpunkt drohte die tolle Stimmung an der Schattenbergschanze zu kippen, denn auch Freitag und Wellinger waren zu früh gelandet.
Freund löste mit seinem Sprung auf 126 Meter auch nur verhaltenen Jubel aus. «Richard und Severin mussten bei extrem schwierigen Bedingungen springen. Sie haben beide das Timing nicht hinbekommen, waren einen Tick zu spät beim Absprung», analysierte Bundestrainer Werner Schuster.
Schon kamen Gedanken an das Vorjahr auf, als die DSV-Springer bereits im ersten Wettbewerb alle Chancen im Gesamtklassement einbüßten. Doch im Finale bewies Freund seine mentale Stärke, die durch die WM-Erfolge im Vorjahr enorm gewachsen ist.
Bei äußerst schwierigen Windbedingungen trumpfte Freund, der 2012 als Dritter für den letzten deutschen Podiumsplatz beim Auftakt-Wettbewerb gesorgt hatte, im Finale groß auf. «Der Sprung war richtig gut. Ich habe gleich gemerkt, der geht dahin», berichtete der 27-Jährige.
Danach wurde es richtig turbulent. Immer wieder musste die Jury wegen der drehenden Winde den Anlauf verändern. «Erst ging es drei Luken runter, dann wieder hoch. Es war ziemlich hektisch», erklärte Freund. «Das verzerrt natürlich den Wettkampf.»
Eine ordentliche Vorstellung bot die zweite Reihe im deutschen Team. Team-Olympiasieger Wank überzeugte mit 120,5 und 130,5 Meter. «Es war schwer, hier reinzustarten. Im zweiten Durchgang haben wir gezeigt, dass wir mithalten können», sagte Wank.
Stephan Leyhe kam mit 118,5 und 129 Meter ebenso noch in die Top 15 wie Wellinger. Der 20-Jährige landete bei 118,5 und 130 Meter. «Der erste Sprung war nicht optimal, den hätte ich gerne besser hinbekommen», sagte Wellinger. «Der zweite Versuch war okay, mit dem bin ich zufrieden.»
Der 36 Jahre alte Michael Neumayer kam zweimal auf 123 Meter und wurde 19. Karl Geiger (26.) und Pius Paschke (29.) aus dem B-Team sammelten zumindest Weltcup-Punkte. Lediglich Marinus Kraus und Markus Eisenbichler enttäuschten. Beide verpassten das Finale. (DPA)