Für den Pharmariesen Sanofi Pasteur ist es ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk, das am Firmensitz im französischen Lyon eingetroffen ist. Brasiliens Agentur für Gesundheitsvorsorge (Anvisa) setzt große Hoffnungen in das Mittel Dengvaxia und hat nun grünes Licht gegeben für den Verkauf des weltweit ersten Impfstoffes gegen das sich rasant ausbreitende, mitunter tödliche Dengue-Virus. Doch das neue Mittel stößt auch auf Skepsis. In spätestens drei Monaten soll der Verkauf starten. Sanofi winkt in Südamerika und Asien ein Milliarden-geschäft. 100 Millionen Dosen pro Jahr können produziert werden.
Anfang Dezember hatten erst Mexiko, dann die Philippinen die Zulassung erteilt.
Die starke Zunahme droht gerade in Brasilien, wo in Rio de Janeiro im August 2016 die ersten Olympischen Spiele in Südamerika stattfinden, zahlungskräftige Touristen abzuschrecken. In dem Land sind diesem Jahr schon weit über 800 Menschen an Dengue gestorben. Bis Dezember registrierten die Behörden schon 1,5 Millionen Fälle.
Vom Dengue-Virus gibt es vier Varianten (Serotypen). Es wird durch Mücken der Gattung Aedes aegypti übertragen, auch tagsüber. Rund 40 Prozent der Erdbevölkerung leben in Risikogebieten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont: «Dengue ist bei den von Moskitos übertragenen Viruskrankheiten die sich am schnellsten ausbreitende der Welt.» Pro Jahr gebe es 390 Millionen Infektionen, davon seien aber nur rund 96 Millionen so schwer, dass eine Behandlung nötig werde. Ein Heilmittel gibt es allerdings nicht. Wer die Erkrankung übersteht, ist lebenslang gegen den jeweiligen Serotyp immun, aber nicht gegen die anderen drei Varianten.
Die WHO will bei ihrem nächsten Treffen im April über die Verwendung des neuen Impfstoffs beraten, teilte die UN-Behörde mit, als das Mittel vor wenigen Wochen in Mexiko zugelassen worden war. Eine Impfempfehlung sah die Behörde damit aber noch nicht verbunden.
Laut Sanofis können mit dem Impfstoff, der das Ergebnis einer jahrzehntelangen Forschung ist, Personen im Alter von 9 bis 45 Jahren gegen alle vier Serotypen geimpft werden. Damit könnten nach dem Ergebnis klinischer Studien alle vier Typen bei rund 65 Prozent der Geimpften verhindert werden und sogar 93 Prozent der schweren Fälle, die tödlich enden können. Brasilien gebe bisher 1,2 Milliarden Dollar pro Jahr für die Behandlung aus, 448 Dollar pro Fall. In 15 Ländern mit 40 000 Freiwilligen sei der Stoff klinisch erprobt worden.
Fachleute außerhalb der Pharmabranche haben aber so ihre Zweifel, ob das nun der Durchbruch ist. So sagte Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin kürzlich der Deutschen Presse-Agentur: «Das Mittel muss dreimal geimpft werden, und der Impfstoff ist teuer.» Zudem sei noch nicht nachgewiesen, ob er gegen alle Dengue-Serotypen gleich gut wirke, so der Virologe.
Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff, die ohnehin mit einer schweren politischen Krise und einer Zustimmung von nur noch 10 Prozent zu kämpfen hat, ist schwer unter Druck. Denn neben Dengue breiten sich Schädelfehlbildungen bei Neugeborenen im Nordosten des Landes aus. Das ebenfalls von der Aedes-Mücke übertragene Zika-Virus soll dafür verantwortlich sein, wenn Schwangere damit infiziert wurden. Die Babys haben einen viel zu kleinen Schädel (Mikrozephalie) und sind geistig beeinträchtigt. Es gibt in diesem Jahr bereits fast 2800 Verdachtsfälle allein in Brasilien. Es kann aber auch andere Gründe für eine Mikrozephalie geben, etwa eine Rötelninfektion während der Schwangerschaft oder Kontakt mit gefährlichen Substanzen.
Ein Grund für die massive Dengue-Ausbreitung in Südamerika, aber auch im asiatischen Raum könnte im Klimaphänomen El Niño liegen. Es lässt in diesem Jahr das Wetter wieder verrückt spielen und beschert immer wieder heftige Überschwemmungen - eine Brutstätte für Mücken in dem tropisch-feuchten Klima. Eine Langzeitanalyse von Dengue-Fällen in acht Ländern Südostasiens hat gezeigt, dass hohe Temperaturen die Stärke der Epidemien fördern. Im El-Niño-Zeitraum 1997/1998 stieg die Zahl der Erkrankungen auf Rekordniveau, berichtete jüngst ein Forscherteam um Willem von Panhuis von der University of Pittsburgh. (DPA)