Nach monatelangen Kämpfen stehen irakische Regierungstruppen kurz vor der Rückeroberung der wichtigen Provinzhauptstadt Ramadi von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). «Unsere Einheiten haben es geschafft, in das Regierungsviertel vorzurücken», sagte ein Polizeisprecher am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Das Viertel im Stadtzentrum ist der letzte Rückzugsort der Dschihadisten in Ramadi. Die Dschihadisten hatten die Stadt seit Mai gehalten. Auch in Nordsyrien geriet der IS unter Druck:
Kurdische und arabische Rebellen der Demokratischen Kräfte Syriens (DFS) eroberten dort einen strategisch wichtigen Staudamm.
Die irakischen Truppen hatten am Dienstag mit internationaler Luftunterstützung eine Großoffensive auf das Zentrum Ramadis begonnen. Die Eroberung der Stadt mit rund 300 000 Einwohnern wäre ein bedeutender Erfolg des Militärs. Der Verlust Ramadis, das vor allem von Sunniten bewohnt wird, war eine schwere Niederlage der Streitkräfte und zog eine Debatte über deren Zustand nach sich.
Iraks Regierungschef Haidar al-Abadi sprach angesichts der Fortschritte in Ramadi von «großen Siegen» seiner Einheiten. Der Sonderbeauftragte von US-Präsident Barack Obama für die Bekämpfung des IS, Brett McGurk, twitterte: «Unsere Koalition ist stolz darauf, die tapferen irakischen Truppen zu unterstützen, während sie den IS in Ramadi besiegen.» Die Unterstützung werde weitergehen, bis alle Bereiche befreit seien. Der Polizeisprecher sagte der dpa, Heckenschützen und Sprengfallen des IS hätten den Vormarsch in Ramadi erschwert.
Eine weitere Niederlage erlitt der IS im Nachbarland: Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, rückten die kurdischen und arabischen Rebellen der Demokratischen Kräfte Syriens (DFS) nach der Eroberung des Tischrin-Staudamms an der Westseite des Euphrats weiter in das Einflussgebiet der Dschihadisten vor.
Die Verkehrsstrecke über den Damm war eine wichtige IS-Nachschubroute zwischen seiner Hochburg Al-Rakka in Syrien und den von den Extremisten beherrschten Gebieten westlich des Euphrats. Zudem versorgt der Damm weite Teile der Region mit Strom.
Der Vormarsch westlich des Euphrats ist für die kurdisch geführten Truppen ein Risiko: Vor zwei Monaten hatte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu die Kämpfer der YPG davor gewarnt, den Fluss zu überqueren. Die der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahestehende YPG führt die DFS-Truppen an. Die PKK wird von der Türkei, Europa und den USA als Terrororganisation eingestuft und von der Türkei militärisch bekämpft.
Derweil drohte der IS-Chef und selbst ernannte «Kalif» des Islamischen Staates, Abu Bakr al-Bagdadi, Israel in seiner ersten Botschaft seit sieben Monaten mit Anschlägen. «Wir haben Palästina keine Sekunde lang vergessen. Bald, mit Gottes Erlaubnis, werdet ihr die bebenden Schritte der Mudschaheddin (heiligen Krieger) hören», sagte der IS-Anführer in einer 24-minütigen Audiobotschaft, deren Echtheit sich zunächst nicht sicher bestätigen ließ. Al-Bagdadi bekräftigte auch seine Drohungen gegen Europa und die USA, zudem warnte er Russland. Seine Worte wurden auch als Botschaft nach innen zur Steigerung der Truppenmoral gesehen.
Ein vielbeachteter friedlicher Abzug von IS-Kämpfern aus Teilen der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde «wegen logistischer Schwierigkeiten» vorerst verschoben. Die von den Vereinten Nationen vermittelte, bislang einmalige Aktion sieht vor, dass insgesamt 3500 Dschihadisten und angehörige Zivilisten Viertel am Rand der Hauptstadt verlassen.
Nach dem Tod von Sahran Allusch, des Anführers der einflussreichen radikalislamischen Miliz Dschaisch al-Islam («Armee des Islams»), rief dessen Nachfolger die syrischen Rebellen zum gemeinsamen Kampf gegen das Assad-Regime auf. «Lasst uns vereint sein und unsere Kräfte bündeln», sagte Abu Hamam al-Bujdani in einer Videobotschaft, die am Sonntag vom Nachrichtensender Al-Dschasira veröffentlicht wurde.
Der syrische Außenminister Walid al-Muallim zeigte sich angesichts des nicht nur militärischen, sondern auch diplomatischen Drucks zu Friedensverhandlungen mit den Regimegegnern bereit. Die internationale Gemeinschaft hatte sich in den vergangenen Wochen auf neue Friedensverhandlungen festgelegt. Eine neue Runde von Gesprächen soll am 25. Januar in Genf beginnen. (DPA)