Gruuuu-Piiiii-iioooo-wiuuuuuu. Erkannt? Das Knarzen und Pfeifen der Mittelwelle gehört zu den Geräuschen aus dem 20. Jahrhundert, die vor dem Aussterben stehen. Ein Geräusch wie das Rattern einer Wählscheibe oder das Einspannen von Papier in einer Schreib-maschine. Am 31. Dezember zieht sich mit dem Deutschlandfunk das letzte deutsche öffentlich-rechtliche Radio aus der Mittelwelle (MW) zurück.
«Es ist keine Übertreibung, zu konstatieren, dass damit ein Stück deutscher Radiogeschichte endet», schreibt Deutschlandfunk- Redakteur Marcus Heumann auf der Internetseite des Senders.
Alle ARD-Radios haben MW bereits abgeschaltet. Sie folgen einer Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs. Denn nur wenn das Alte weicht, darf das Neue kommen: Die Kommission hat den Rundfunkanstalten die finanziellen Mittel für die neue Übertragungsart Digitalradio genehmigt, dafür aber das Ende der Mittelwelle verlangt. Die Ersparnis ist enorm. Der BR beispielsweise muss dadurch rund 300 000 Euro weniger Stromkosten im Jahr zahlen.
Beromünster, Hilversum, RIAS, Rennes, Rabat - die ollen Radios mit solchen exotischen Städte- und Sendernamen auf der Skala stehen weitgehend unbeachtet immer noch in vielen Oma-Wohnzimmern und WG-Küchen herum. Beim Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 hatten noch Millionen Menschen über Mittelwelle gehört, wie Herbert Zimmermann ins Mikro schrie: «Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen - Rahn schießt! - Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!» Immerhin: Fußballspiele gehörten auch zuletzt noch - ebenso wie etwa Bundestagsdebatten - zu den Ereignissen außerhalb des üblichen Programmschemas, die über MW in voller Länge ausgestrahlt wurden.
Dass zuletzt so wenige zuhörten, nutzte so mancher sogar dazu, sich ungewöhnliche Freiheiten zu nehmen. Unvergesslich die Mittelwelle-Übertragung eines Radiomoderators von einem Kölner Literaturfestival: Er dürfe in dieser Runde - man sei ja unter sich - endlich mal klipp und klar aussprechen, wovon der Bestseller «Salz auf unserer Haut» von Benoîte Groult so handele: nämlich von einer Frau aus der Großstadt, die es sich von einem bretonischen Fischer «einmal so richtig besorgen» lasse. Das hätte sich der gute Mann vom öffentlich-rechtlichen Radio auf UKW gewiss nicht getraut.
Die Mittelwelle (MW) deckt im Hörfunk den Frequenzbereich ungefähr zwischen 530 Kilohertz und 1600 Kilohertz ab. Beim Aufbau des Radios in Deutschland spielte sie eine große Rolle. Seit der Nachkriegszeit verdrängte die Ultrakurzwelle (UKW) diese Technik immer mehr. Trotz knarzigen Empfangs wurde die MW aber noch jahrzehntelang von vielen Hörern wegen ihrer großen Reichweite geschätzt, nicht nur unter Seglern. Selbst mit mittelmäßigen Radios hatte man sogar im Keller recht guten Empfang, auch wenn er alles andere als glasklar war. Das Signal ging über Hunderte Kilometer. Das ist jetzt Vergangenheit.
Und das Schicksal der Mittelwelle könnte schon in wenigen Jahren auch der beliebten Ultrakurzwelle drohen. Denn auch UKW wird seit langem hinterfragt. Ursprünglich sollten bis 2010 alle Radios ihren Sendebetrieb auf das digitale DAB umgestellt haben. Nach massiven Widerständen hatte der Gesetzgeber einen festen Termin gestrichen.
Deutschlandradio-Intendant Willi Steul zählt zu den aktivsten Vorkämpfern für das Digitalradio. In einem Interview seiner Sendergruppe schildert er: «DAB hat den großen Vorteil, dass es ein viel störungsfreierer Empfang ist, dass er leichter zu händeln ist, eine CD-ähnliche Klangqualität, und man kann mit dieser Technologie Zusatzinformationen übermitteln.» Das ist jetzt die Zukunft. (DPA)