Picasso als Jagdtrophäe - Der Kunstmarkt kämpft um Rekorde

Pablo Picassos Bild «Les femmes d'Alger (Version 'O')» wurde im Mai dieses Jahres bei Christie's in New York versteigert. Foto: Jason Szenes
Pablo Picassos Bild «Les femmes d'Alger (Version 'O')» wurde im Mai dieses Jahres bei Christie's in New York versteigert. Foto: Jason Szenes

Die Rekordjagd auf dem Kunstmarkt geht weiter: 179 Millionen Dollar brachte Picassos Bild «Les femmes d'Alger» im Mai 2015 bei Christie's in New York - es ist das teuerste je versteigerte Kunstwerk. Modiglianis Akt-gemälde «Nu couché» wurde für 170 Millionen Dollar versteigert. An nur wenigen Abenden setzen die großen Konkurrenten Christie's und Sotheby's bei ihren Herbstauktionen jeweils Kunst für mehr als eine Milliarde Dollar um.

 

 

Auktionserlöse jenseits der 100-Millionen-Dollar-Marke für ein Kunstwerk galten vor einigen Jahren noch als Wunschtraum, inzwischen haben schon zehn Werke diese magische Hürde genommen. Und die Branche wartet gespannt darauf: Wann werden die 200 Millionen geknackt?

 

Doch das Geschehen im Top-Auktionssegment ist für Kunstexperten letztlich nicht maßgeblich für den Markt. «Das hat mit dem Kunstmarkt nur noch wenig zu tun», sagt Hans Neuendorf, Gründer des Online-Kunstdienstleisters Artnet. «Das sind Trophäenkämpfe.»

 

Neuendorf verlässt sich bei der Temperaturmessung des Markts lieber auf das mittlere Segment. Der Kunstmarkt sei «nach wie vor extrem robust», lautet seine Diagnose. «Es ist wahnsinnig viel flüssiges Geld auf der Welt vorhanden, in den Händen von sehr vielen Menschen in ganz vielen Erdteilen und Nationen», sagt Neuendorf.

 

Die Auktionsumsätze sind die einzigen veröffentlichten Zahlen im verschwiegenen Kunstmarkt. Über 50 Prozent der Umsätze werden laut Neuendorf aber im privaten Kunsthandel gemacht. «Was dort passiert, wissen wir nicht.» So ist es auch nur ein unbestätigtes Gerücht, dass Paul Gauguins Gemälde «Nafea faa ipoipo» (Wann heiratest du?) für 300 Millionen Euro an einen neuen Besitzer in Katar gegangen sein soll. Damit wäre es das teuerste Bild der Welt.

 

Philipp von Württemberg, Chef von Sotheby's Europa und Geschäftsführer Sotheby’s Deutschland, sagt: «Der Markt ist deutlich globaler geworden, überall werden gute Geschäfte gemacht, vor allem auch, weil die Banken eine hohe Liquidität zur Verfügung stellen.» Die andauernde Niedrigzinsphase begünstigt den Run auf Kunst, aber auch auf Oldtimer oder Juwelen. Sotheby's versteigerte in Genf einen 12,03 Karat schweren blauen Diamanten für umgerechnet 45 Millionen Euro - natürlich wieder ein Rekord.

 

Der deutsche Kunstauktionsmarkt ist zwar um ein Vielfaches kleiner als der nordamerikanische oder der britische, aber auch hierzulande werden Rekorde aufgestellt. Günther Ueckers Nagelkunstwerk «Hommage à Paul Scheerbart» wurde bei Ketterer für 300 000 Euro aufgerufen und für fast 1,9 Millionen Euro mit Aufgeld versteigert - ein neuer Auktionsrekord für den Zero-Künstler.

 

«Jede Auktion läuft besser als die vorhergehende», sagt Inhaber Robert Ketterer. «Wir profitieren auch von der Kaufkraft der globalen Käuferschichten.» Allein 2014 habe Ketterer in über 50 Länder verkauft. Im Vergleich zu den Milliardenumsätzen der großen Player nimmt sich der Jahreserlös bei den beiden derzeit umsatzstärksten deutschen Auktionshäusern, Villa Grisebach in Berlin und Ketterer in München, eher bescheiden aus. Grisebach kam 2015 auf 56 Millionen Euro, Ketterer machte einen Sprung auf fast 53 Millionen Euro. 2014 lag das Ergebnis der Münchner bei 47 Millionen Euro - ungefähr so viel, wie allein die Rekordversteigerung des blauen Diamanten «Blue Moon» in Genf gebracht hatte.

 

Der Markt saugt angesichts riesiger Nachfrage und bei kleinem Angebot Kunst auf wie ein Schwamm - in allen Preisklassen. Van Ham in Köln brachte im Sommer in einer mehrtägigen Marathonauktion rund 2300 Kunstwerke aus der Insolvenzmasse des verurteilten Kunstberaters Helge Achenbach unter den Hammer - und erzielte damit rund neun Millionen Euro inklusive Aufgeld. Kunst von zehn Euro bis 316 000 Euro - nichts blieb liegen.

 

Sorgen bereitet den Auktionshäusern in Deutschland allerdings das Kulturgutschutzgesetz, das national wertvolle Güter vor einer Abwanderung ins Ausland schützen soll. Zwar sei es «grundsätzlich richtig, das Gesetz im Zeitalter der offenen Grenzen zu verbessern, sagt Ketterer. «Aber es werden weniger Kulturgüter nach Deutschland kommen, und deshalb auch weniger Kulturgüter verbleiben.» Bei Ketterer wird 35 Prozent der Ware aus dem Ausland eingeliefert.

 

Auch Württemberg sagt: «Wenn das Gesetz kommt, könnten sich einige deutsche Sammler überlegen, ob sie ein Spitzenwerk, das sie im Ausland kaufen, überhaupt noch nach Deutschland bringen. Eine Verunsicherung ist da.» (DPA)