Das polnische Unterhaus hat mit der Mehrheit der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine umstrittene Neuordnung des Verfassungsgerichts verabschiedet. Nach einer stürmischen Debatte stimmten am späten Dienstagabend 235 Sejm-Abgeordnete für das Gesetz, dagegen waren 181. Es gab vier Enthaltungen. Das berichtete die Nachrichtenagentur PAP. Die Opposition hält das Gesetz für verfassungswidrig und für einen Versuch, das Gericht in seiner Arbeitsfähigkeit zu beschneiden und zu «zerstören».
Ex-Minister Andrzej Halicki von der liberalen Bürgerplattform (PO) sagte: «Heute ist mit bloßem Auge zu erkennen, dass wir es mit einem schleichenden Staatsstreich zu tun haben.» Die Partei kündigte noch am Abend an, Verfassungsklage zu erheben.
Die zweite Parlamentskammer, der Senat, hat nun 30 Tage Zeit, sich mit der Vorlage zu befassen. Sie sieht vor, dass Urteile künftig nur mit Zweidrittel- statt wie bisher mit einfacher Mehrheit gefällt werden können. Es müssen 13 von 15 Richtern beteiligt sein. Zudem entfällt der bisherige Paragraf über die Unabhängigkeit des Gerichts. Am Ende kam nur ein Änderungsantrag der Opposition durch: Demnach darf das Tribunal seinen Sitz in der Hauptstadt Warschau behalten.
Nach der dritten und abschließenden Lesung im Sejm klatschten die Abgeordneten des Regierungslagers Beifall und riefen im Siegestaumel «Demokratie!», wie die Agentur PAP berichtete. Zuvor hatten ihnen Abgeordnete der Opposition zugerufen: «Ihr zerstört den polnischen Staat und das Verfassungsgericht!» Krzysztof Mieszkowski von der neuen liberalen Oppositionspartei Nowoczesnej sagte in der Aussprache: «Wir stehen im Kampf um die Werte».
Während der fast elfstündigen Marathonsitzung kam es zu teils heftigem Streit. Der PiS-Vorsitzende und Ex-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski habe sich «vom Dr. Jekyll zum Mr. Hyde verwandelt», kritisierte ein Politiker. Für Empörung und Erheiterung sorgte die PiS-Vertreterin Krystyna Pawlowicz, die einem Kollegen der liberalen Bürgerplattform vor laufenden Kameras sagte: «So schmeckt das Leben in der Opposition - miam, miam, miam.»
An den vergangenen zwei Wochenenden waren Zehntausende Polen auf die Straße gegangen, um gegen den Rechtsruck unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo zu demonstrieren. Die nationalkonservative PiS hatte bei der Parlamentswahl im Oktober 37,6 Prozent der Stimmen erhalten und hat seither eine Mehrheit in beiden Kammern. Die Wahlbeteiligung hatte allerdings nur bei knapp 50 Prozent gelegen. (DPA)