Trotz dramatischer Stimmenverluste hat sich die Volkspartei (PP) von Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy bei der Parlamentswahl als stärkste Kraft behauptet. Nach einer Prognose des staatlichen Fernsehsenders TVE büßten die Konservativen am Sonntag jedoch mehr als ein Drittel ihrer Sitze ein und blieben weit unter der 2011 noch erreichten absoluten Mehrheit. Unklar war zunächst, wer die neue Regierung bilden würde. Die Sozialisten (PSOE) wurden von den Wählern ebenfalls abgestraft und erlitten ein Debakel.
Die bislang größte Oppositionspartei erhielt laut der Prognose auf Basis von Nachwahlbefragungen prozentual weniger Wählerstimmen als die neue Linkspartei Podemos (Wir können). Aufgrund des Wahlsystems holte die PSOE jedoch knapp mehr Sitze als Podemos. Sie hatte 2011 ihr schlechtestes Ergebnis in der jüngeren Geschichte erzielt und fiel nun noch dahinter zurück.
Wie TVE nach der Schließung der Wahllokale berichtete, dürften die Konservativen auf etwa 116 der 350 Abgeordnetensitze kommen, 70 weniger als vor vier Jahren. Die Sozialisten (PSOE) von Oppositionsführer Pedro Sánchez erhielten der Prognose zufolge etwa 83 Mandate, 27 weniger als 2011.
Die vorweihnachtliche Abstimmung leitete eine neue Ära in der spanischen Politik ein. Erstmals in der jüngeren Geschichte werden vier Parteien mit starken Fraktionen im Parlament vertreten sein.
Zwei aufstrebende Parteien ziehen erstmals in den «Congreso» ein. Podemos mit Pablo Iglesias an der Spitze kommt laut TVE auf etwa 78 Sitze und rangiert damit nur knapp hinter den Sozialisten. Die liberalen Ciudadanos (Bürger) dürften den Angaben zufolge etwa 49 Mandate gewonnen haben. Damit blieben sie deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Zur Regierungsbildung dürften komplizierte Koalitionsverhandlungen notwendig sein. Im Wahlkampf hatte keine der großen Parteien Hinweise darauf gegeben, mit wem sie ein Regierungsbündnis eingehen würde. Eine klassische Koalitionsregierung wie in Deutschland hat es in Spanien noch nicht gegeben.
Rajoy verfügte in der abgelaufenen Legislaturperiode über so viel politische Macht wie kein anderer Regierungschef in der jüngeren Historie des Landes. Die PP hatte bei der vorigen Wahl im November 2011 das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt und die die absolute Mehrheit gewonnen.
Rajoy erließ nach seinem Amtsantritt vor vier Jahren aufgrund der Finanzkrise strenge Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen. Damit führte er Spanien aus der Krise heraus und verhalf der Wirtschaft zu neuem Wachstum. Doch bekam er auch den Unmut des Volkes zu spüren, und die Arbeitslosenquote ist mit über 20 Prozent weiterhin hoch.
Die Wähler straften die Konservativen nun anscheinend für deren Sparpolitik ab. Die PP war zudem auch wegen einer Reihe von Korruptionsskandalen in die Schlagzeilen geraten. Ihr langjähriger Schatzmeister Luis Bárcenas wird von der Justiz beschuldigt, Schmiergelder von Unternehmen kassiert und eine schwarze Kasse geführt zu haben. Nach Umfragen rangiert Rajoy in der Beliebtheitsskala hinter den Spitzenkandidaten der anderen Parteien. (DPA)