Ein Herz für Weihnachtsbäume: Mieten statt wegwerfen

Kersten Scholz von der Baumschule Scholz im Ammerland bei Bad Zwischenahn schiebt einen Leih-Weihnachtsbaum mit Blumentopf in den Transporter. Erstmals setzt die Baumschule auf Nachhaltigkeit beim Weihnachtsbaumgeschäft. Foto: Ingo Wagner
Kersten Scholz von der Baumschule Scholz im Ammerland bei Bad Zwischenahn schiebt einen Leih-Weihnachtsbaum mit Blumentopf in den Transporter. Erstmals setzt die Baumschule auf Nachhaltigkeit beim Weihnachtsbaumgeschäft. Foto: Ingo Wagner

Millionen Tannen und Fichten wachsen jahrelang nur für diesen einen Moment: An Weihnachten erstrahlen sie bunt geschmückt in den deutschen Wohnzimmern. Es ist quasi der Höhepunkt ihres Lebens - eine kurze Zeit des Glanzes, bevor sie auf dem Müll landen. Naturschützer finden es fragwürdig, so mit Lebewesen umzugehen. Auch so mancher Weihnachtsbaumkäufer mag insgeheim ein schlechtes Gewissen haben. Aber Weihnachten ohne Baum? Unvorstellbar für die meisten. Mieten statt Wegwerfen könnte da eine Alternative sein.

150 Nordmanntannen warten auf dem Gelände der Baumschule Scholz in Bad Zwischenahn auf ihren festlichen Einsatz - die Axt bekommen sie dafür nicht zu spüren. Denn bei ihnen handelt es sich um ein besonderes Modell: Die Wandertanne, wie Kersten Scholz sie nennt. Die Bäume stecken samt Wurzeln in einem Topf, in dem sie die Festtage verbringen werden. Danach pflanzen Scholz und seine Kollegen die Pflanzen wieder draußen in der Baumschule seiner Eltern aus. Bevor es auf die Reise geht, kommen die Tannen einige Tage in eine Halle. «Damit sie sich an die Wärme gewöhnen», sagt der 25-Jährige. 1,25 bis 2,25 Meter messen die lebendigen Miet-Bäume.

 

Die Kunden in Bremen, Oldenburg und der Region können die Bäume in diesem Jahr erstmals liefern und später wieder abholen lassen. Damit die Tannen die strapaziöse Zeit im Topf überstehen, müssen sie vorher regelmäßig umgepflanzt werden. «Dadurch entstehen Feinwurzeln, mit denen sie später wieder anwachsen», sagt Scholz. Trotzdem werden es wohl nicht alle schaffen. «Wir hoffen auf 75 Prozent.» Ähnliche Erfahrungen hat das Drei-Mann-Unternehmen Happy Tree gesammelt. Das Start-up hat im vergangenen Jahr 400 lebendige Bäume in Köln und Düsseldorf verliehen. In diesem Jahr sollen es 3000 in zwölf Städten sein. Die Nordmanntannen stammen von einer Baumschule in den Niederlanden, die diese direkt im Topf zieht und darin auch auspflanzt.

 

Für die Weihnachtszeit können sie also einfach aus der Erde geholt werden, ohne Wurzeln zu lassen. Dreiviertel haben das im vergangenen Jahr gut überstanden, sagt Gründer Sebastian Schönfeld. Sein Motiv: «Wir wollen in erster Linie zeigen, dass Konsum auch anders funktionieren kann.» Weihnachtsbäume im Topf kann man in den USA, Großbritannien und der Schweiz schon länger mieten. In Deutschland machen diese Bäume nach Angaben des Bundesverbands der Weihnachtsbaumerzeuger unter den etwa 23 Millionen Christbäumen bisher nur einen verschwindend geringen Anteil aus.

 

Ob ein lebendiger Baum wirklich nachhaltiger ist, bezweifelt Verbandssprecher Hans-Georg Dressler. «Man kann den im Topf schnell zugrunde richten.» Zu viel Wärme und zu wenig Wasser bekommen ihm gar nicht. Das Fatale daran: «Man sieht nicht, wenn der Baum vertrocknet. Die Nadeln bleiben grün und verwelken nicht», sagt Rudolf Fenner von der Umweltorganisation Robin Wood. Auch der plötzliche Temperaturwechsel kann den Tannen zu schaffen machen. Wenn es kalt wird, gehen sie in Winterruhe. Doch im warmen Wohnzimmer wird diese unterbrochen, und die Knospen bereiten sich darauf vor, zu treiben. Zurück in der Kälte erfrieren diese dann. Die Baumschule Scholz wiegt ihre Wandertannen deshalb vorsichtig zurück in den Winterschlaf: Sie kommen in eine Halle, wo nach und nach die Temperatur gesenkt wird. Erst dann kommen sie wieder nach draußen, wo sie sich in der Erde zwei Jahre lang vom anstrengenden Weihnachtsgeschäft erholen sollen.

 

Der Aufwand hat seinen Preis: 44 bis 79 Euro zahlen Kunden je nach Größe für eine Wandertanne, bei Happy Tree sind es 65 bis 80 Euro. Doch ein gutes Gewissen ist auch für kleines Geld zu haben. Stefan Adler vom Naturschutzbund Deutschland rät, sich seinen eigenen Baum im Topf zu ziehen, am besten eine heimische Fichte. Diese kann man dann im Topf in den Garten pflanzen und nur über Weihnachten ins Haus holen. Der Vorteil: Die Wurzeln werden nicht beschädigt, und der Baum wird nicht ganz so groß. Allerdings muss man sich dafür ein paar Jahre in Geduld üben - zumindest, wenn der Weihnachtsbaum Zimmerhöhe haben soll. (DPA)

 

 

Links

Infos zur Wandertanne

Infos zu Happy Tree

Robin Wood zu Weihnachtsbäumen

Weihnachtsbaumvermietung in den USA

Weihnachtsbaumvermietung in London

Weihnachtsbaumvermietung in der Schweiz