Hoch verzinste Altverträge stellen Bauspar-kassen in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen vor Probleme - auch weil so mancher Kunde damit offensichtlich gar nicht mehr auf ein Eigenheim spart. Die Institute kündigten Tausende Verträge. Die Folge: Eine Klagewelle von Bausparern.
Was ist das Problem?
In den 90-er Jahren boomte das Geschäft. Die Institute lockten Bausparer mit üppigen Zinsen - von teilweise mehr als vier Prozent. Davon können Bausparer heute nur träumen.
Inzwischen liegen die Zinsen bei etwa 0,25 Prozent. Es geht insbesondere um Kunden mit Altverträgen, die das vorgesehene Darlehen nicht nutzen oder die vereinbarte Sparsumme schon überschritten haben und vor allem von den einst zugesicherten Zinskonditionen profitieren.
Die Altverträge sind wegen der Niedrigzinsen am Kapitalmarkt derzeit ein schlechtes Geschäft für Bausparkassen. Denn sie bekommen selbst nur sehr niedrige Zinsen für das Kapital ihrer Bausparer.
Wie begründen die Bausparkassen ihre Kündigungen?
Die Finanzinstitute haben insgesamt schon etwa 200 000 Altverträge gekündigt. Es gehe um Papiere, die schon seit mehr als zehn Jahre zuteilungsreif sind und «deren Nutzung dem ursprünglichen Vertragszweck des Bausparens - der Erlangung eines zinsgünstigen Bauspardarlehens - widerspricht», sagt ein Wüstenrot-Sprecher. Im Schnitt sind die strittigen Verträge etwa 22 Jahre alt, heißt es beim Verband der Privaten Bausparkassen.
Man müsse wegen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank gegensteuern. «Dazu gehören auch unpopuläre Maßnahmen wie die Kündigung von Altverträgen, bei denen die Erlangung eines Bauspardarlehens erkennbar nicht mehr im Vordergrund steht», sagt Verbandssprecher Alexander Nothaft.
Gibt es bereits Urteile?
Nach Angaben des Verbands kam es bisher zu 970 Klagen gegen die Kündigungen. Bisher habe es 89 Urteile von Amts- oder Landgerichten zu Altverträgen in Deutschland gegeben. In 79 Fällen hätten die Bausparkassen recht bekommen, in 10 Fällen die Kläger.
Doch die Urteile sind begrenzt aussagekräftig, da es noch keine höherinstanzlichen Richtersprüche gibt. Anfang 2016 dürfte es die ersten Entscheidungen an Oberlandesgerichten geben, 2017 könnte der Bundesgerichtshof ein Machtwort sprechen.
Was sagen Verbraucherschützer?
Die Urteilszahlen sagten wenig aus, weil viele Entscheidungen von denselben Kammern stammten und zahlreiche Vergleiche im Sinne der Kläger in den Zahlen nicht enthalten seien, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
«Wenn die Bausparkassen sehen, da kommt wohl ein negatives Urteil, dann lenken sie in Vergleichen ein und verlängern die Vertragslaufzeit.» Dies sei für die öffentliche Debatte insofern schlecht, als Stillschweigen vereinbart und dadurch diese Zahlen nicht bekanntwerden.
Was ist der juristische Knackpunkt?
Die Bausparkassen beziehen sich auf einen Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 489 Absatz 1 Nr. 2), der dem Darlehensnehmer ein Kündigungsrecht einräumt. Knackpunkt ist die Frage, ob die Bausparkasse überhaupt als Darlehensnehmer gelten kann.
Das erscheint insofern naheliegend, weil der Bausparer dem Institut ja Geld gibt - dieses Geld gälte in dieser Argumentation gewissermaßen als Darlehen. Verbraucherschützer sind anderer Auffassung - aus ihrer Sicht gilt dieser Paragraf nur zum Schutz von Verbrauchern und nicht von Banken.
Was sagen Wissenschaftler?
Der Juraprofessorin Christina Escher-Weingart von der Universität Hohenheim weist darauf hin, dass Bausparen auf dem Kollektivgedanken und der Genossenschaftsidee basiere. «Der eine Genosse gibt Spareinlagen, damit der andere Genosse einen Kredit bekommen kann.» Dieser Kreislauf mit gegenseitigem Nutzen sei unterbrochen, wenn es nur noch Sparer gebe und keine Kreditnehmer.
Wenn die Institute hohe Zinsen zahlten an Bausparer, dann müssten sie irgendwoher auch hohe Zinseinnahmen haben - aber genau daran mangele es. «Die Bausparkassen haben keine Goldesel im Keller als Dukatenlieferanten.» Auf die Frage, wer im Recht ist, hält sich Escher-Weingart bedeckt. «Die Rechtslage ist nicht eindeutig.»