Die SPD hat ihren Parteichef Sigmar Gabriel bei seiner Wiederwahl dramatisch abgestraft. Der 56 Jahre alte Vizekanzler erreichte bei seiner Wiederwahl beim SPD-Bundesparteitag in Berlin nur 74,3 Prozent der Stimmen. Das ist das mit Abstand schlechteste Ergebnis seiner bisher vier Wahlen - und das zweitschlechteste Resultat eines SPD-Vorsitzenden seit 1946. Gabriel reagierte trotzig. Er räumte ein, dass einige Parteimitglieder seinen Kurs nicht links genug fänden. Es sei aber nun mit Drei-Viertel-Mehrheit entschieden worden, wo es langgehe. «Und so machen wir es jetzt auch.»
Gabriel steht seit 2009 an der Spitze der Partei. Damals hatte er noch 94,2 Prozent der Stimmen bekommen. Seitdem hatten sich die Resultate kontinuierlich verschlechtert. 2013 hatte er 83,6 Prozent bekommen.
Der schwere Dämpfer kommt nun zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Gabriel und sein Umfeld hatten sich ein Signal der Rückendeckung für die Bundestagswahl 2017 und die geplante Kanzlerkandidatur erhofft - vergebens.
«In der Zeitung wird stehen: Gabriel abgestraft - und das ist ja auch so», sagte der alte und neue SPD-Chef. Gabriel räumte ein, er habe die Partei nicht geschont - etwa mit seinem Eintreten für die Vorratsdatenspeicherung oder für eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Aber er sei überzeugt von diesem Kurs.
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann lobte, Gabriel habe auf ein schlechtes Wahlergebnis stark reagiert. «Das ist die richtige Haltung.» Immerhin drei Viertel der Delegierten hätten in schwierigen Zeiten Gabriels Kurs gestärkt. «Das ist ein Kurs der Mitte. Und den werden wir jetzt umsetzen.»
Andere Genossen äußerten sich verärgert und schockiert. Der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Ex-SPD-Chef, Kurt Beck, klagte: «Da haben einige Leute ihren Unmut an der falschen Stelle angebracht.» Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach sagte: «Das Ergebnis ist eine Enttäuschung.» Er sei überrascht und entsetzt, dass die Delegierten zum Teil die sehr gute Arbeit Gabriels der vergangenen beiden Jahre nicht zu würdigen gewusst hätten.
Die Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann sprach von einem ehrlichen Ergebnis. «Ich glaube, viele Delegierte haben weder mit Kritik auf dem Podium noch mit Kritik am Wahlzettel gespart.» Das sei auch gut. Das Grummeln an der Basis sei in jüngster Zeit groß gewesen. «Ich glaube, dass Sigmar Gabriel die Kritik jetzt annehmen muss und die Partei hinter sich versammeln muss.»
Uekermann hatte Gabriel vor der Wahl scharf angegriffen und ihm vorgeworfen, keine glaubwürdige Politik zu machen. Gabriel wies das als Unterstellung zurück. Aber auch andere Delegierte - vor allem Parteilinke - machten ihrem Ärger über den Kurs Luft, beklagten einen Schlingerkurs und mangelnde Beteiligung der Mitglieder.
Vor seiner Wiederwahl hatte Gabriel den Sozialdemokraten noch versprochen, einen Mitgliederentscheid abzuhalten, falls sich die Bundeswehr bei ihrem umstrittenen Einsatz gegen die Terrormiliz IS auch direkt an Kampfhandlungen beteiligen oder sogar Bodentruppen schicken sollte. Die Mission ist unter Sozialdemokraten umstritten.
Die SPD verharrt seit Monaten in Umfragen bei Werten um die 25 Prozent. Vor seiner Wahl hatte sich Gabriel bemüht, trotz der schwachen Umfragewerte Optimismus zu versprühen. Die Mehrheiten im Land seien in Bewegung. «Lasst euch nicht kirre machen wegen der Umfragen.» Mit Geschlossenheit und Selbstbewusstsein könne die SPD aus dem Tal herauskommen und das Kanzleramt zurückzuerobern. «Das schaffen wir! Gemeinsam!»
Neben Gabriel wurde auch die restliche SPD-Führungsmannschaft neu gewählt. Seine Stellvertreter wurden ebenfalls im Amt bestätigt, erreichten dabei aber alle bessere Ergebnisse als der Parteichef. Die Delegierten wählten auch eine neue Generalsekretärin - die Bundestagsabgeordnete Katarina Barley. Sie bekam 93 Prozent der Stimmen. Barley folgt auf Yasmin Fahimi, die nicht wieder antrat. (DPA)