Er wusste, wo sie war, wem sie WhatsApp-Nachrichten schrieb und welche Bilder sie auf dem Handy hatte: Ein 20-Jähriger soll seiner ehemaligen Freundin eine Spionage-App auf ihr Handy gespielt haben - ohne dass die junge Frau davon wusste. Mindestens drei Monate lang soll er sie auf Schritt und Tritt überwacht haben. Nun muss er sich vor dem Amtsgericht Heilbronn (Baden-Württemberg) wegen des Abfangens von Daten verantworten. Spionage-Apps sind mit wenigen Klicks auf ein Smartphone herunterzuladen - doch wer sie nutzt, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.
Wer sie ohne Zustimmung des Telefonbesitzers installiert, kann vor Gericht landen, wie der Heilbronner Fall zeigt. Den App-Anbietern scheint das egal zu sein - sie sprechen gezielt misstrauische Menschen an: «Haben Sie sich schon mal Sorgen gemacht, dass Ihr Partner Sie betrügt?» Damit werden die Kunden auf dünnes Eis gelockt, rechtlich und moralisch.
«Das ist die nächste Eskalationsstufe des Nachstellens neben Stalking», sagte die Landesbüroleiterin der Opferorganisation Weißer Ring, Claudia Beck. Fotos beträfen die Intimsphäre einer Person. «Das verstärkt beim Opfer das Gefühl, ausgeliefert zu sein», sagt Beck.
Der junge Mann, der jetzt vor Gericht steht, hat die App nach eigenen Angaben in einem kurzen unbeobachteten Moment, als seine Freundin fünf Minuten das Zimmer verlassen hatte, installiert, wie ein Gerichtssprecher mitteilt. Die Software firmiert als Diebstahlsapp, mit der man ein verloren gegangenes Handy orten kann. Auf dem Handy ist sie nach Angaben des Anbieters nicht durch die typische quadratische App-Schaltfläche zu erkennen, sondern wird als «Device-Management» aufgeführt - damit wird womöglich der Eindruck erweckt, es handle sich um eine systemrelevante Software.
Der IT-Sicherheitsexperte Ronald Eikenberg aus der Redaktion der Computerzeitschrift «c't» kennt diese Masche. Die Spionagesoftware benutze zur Verschleierung manchmal Namen wie Browser oder Facebook, sie könne aber auch als Spiel getarnt sein. «Man kann ein Programm in einem anderen verstecken», sagt Eikenberg. Bei der Aufforderung eines Bekannten, das Spiel zu installieren, denke man sich erstmal nichts. «Das andere Programm läuft im Hintergrund. Von dessen Existenz bekommt man nichts mit.»
Wer befürchtet, Spionagesoftware auf dem Handy zu haben, dem empfiehlt Eikenberg, das Gerät mit einem Antivirenprogramm scannen, dabei werde sie wahrscheinlich entdeckt.
Die Anbieter von Spionage-Apps versuchen, über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) selbst wieder vom juristischen Glatteis zu kommen. Da heißt es zum Beispiel: Der Nutzer der App stimme zu, die Software nur auf eigene Geräte oder mit expliziter Erlaubnis des Gerätebesitzers zu installieren. AGB seien aber kein Hintertürchen, sagt der Sprecher des Justizministeriums Baden-Württemberg, Steffen Ganninger. Durch das Kleingedruckte könne man eine Strafbarkeit nicht ausschließen. Für eine Stellungnahme waren die Anbieter nicht erreichbar.
Wenn Partner einander ausspionieren, kommt eine moralische Komponente hinzu: «Das ist ein Mega-Vertrauensbruch, das geht natürlich gar nicht», sagt Simone Janssen, Präsidentin des Gesamtverbandes der Ehe- und Partnervermittlungen. Wenn so wenig Vertrauen da sei, dass man den Partner überwache, sei das keine Basis für eine Beziehung, sagt die Expertin. (DPA)