Der Blick auf die Statistik ist ernüchternd: Deutschland, eine der reichsten Nationen der Welt, ist in Sachen superschnelles Internet eine Diaspora. Glasfasernetze gelten allgemein als Infrastruktur der Zukunft, als Rückgrat der künftigen Gigabit-Gesellschaft. Ob Videos, Musik, Filme oder TV, ob Telemedizin, Telematiksysteme, Cloud-Dienste oder das vernetzte Zuhause - die Datenautobahnen müssen schneller, sprich breiter werden, damit die Nutzer nicht in einen Stau geraten.
Während in Asien Länder wie Südkorea und Japan inzwischen beim Glasfaserausbau bis zu 70 Prozent aller Haushalte erreichen, ist Deutschland in diesem Bereich in Europa Schlusslicht. Nach Zahlen des europäischen Industrieverbandes FTTH Council kommt die stärkste Volkswirtschaft in Europa gerade einmal auf ein Prozent aller Haushalte, die über einen Glasfaseranschluss verfügen.
Nüchtern diagnostiziert die Bundesregierung die Lage: «Die Netzinfrastruktur zählt zu den besonderen Schwächen der deutschen digitalen Wirtschaft», heißt es im Monitoring-Bericht Wirtschaft Digital 2015 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
Das bedeutet aber keineswegs, dass die Netzbetreiber um die Deutsche Telekom und ihre Konkurrenten den Zeitgeist nicht erkannt hätten. Ganz im Gegenteil. «Wir wollen den Breitbandausbau weiter beschleunigen», beteuert Telekom-Chef Tim Höttges immer wieder.
Dabei setzt das Unternehmen aber auf eine Technik, die vor allem unter den Wettbewerbern in Verruf geraten ist und derzeit für Zoff in der Branche sorgt: Das sogenannte Vectoring. Mit seiner Hilfe soll der Datentransfer über die Kupferkabel auf der letzten Meile zum Kunden beschleunigt werden.
Geschwindigkeiten von 100 MBit pro Sekunde verspricht die Telekom und mit Vectoring Plus, Super-Vectoring und dem Standard G.fast soll das Tempo in wenigen Jahren noch einmal erhöht werden. Doch diese Strategie ist den Wettbewerbern ein Dorn im Auge, sie halten sie für wenig nachhaltig.
«Der Ex-Monopolist in Deutschland will mit einer schlechten Technik eine bessere, nämlich Glasfaser bis ins Haus oder Endkunden, verhindern», schimpft der Geschäftsführer des Verbandes der Wettbewerber VATM, Jürgen Grützner. Die Telekom wolle Kunden binden und das letzte aus den längst abgeschriebenen Kupferleitungen herausholen.
Doch die Milliardensummen, die die Telekom und große integrierte Betreiber in den Netzausbau jährlich pumpen, lassen die Kritiker erblassen. Rund 90 Prozent aller Investitionen in dem Bereich, so eine Marktstudie der HSBC Global Research, entfallen auf Telekom, Vodafone, Telefónica Deutschland und Kabelnetzbetreiber.
Die Telekom allein plant in den Jahren 2015 bis 2018 nach eigenen Angaben 16 Milliarden Euro für den Ausbau. Auf die Stadt- und regionalen Betreiber fallen laut Zahlen der Marktforscher von IDATE gerade einmal 5 Prozent der Gesamtsumme.
Die kleinen Anbieter fühlen sich bedroht und glauben, der Glasfaserausbau werde durch die Telekom-Pläne ausgebremst. Es würden Lösungen angestrebt, die mittelfristig schädlich seien, sagt der Präsident des Bundesverbandes Glasfaseranschluss BUGLAS, Jens Prautzsch.
Dass die Bundesnetzagentur der Telekom nun erlauben könnte, Vectoring für das schnelle Internet verstärkt einzusetzen, stößt auf Kritik. Denn Betreiber wie M-Net in München oder Netcologne in Köln setzen auf Glasfaser. Und nun kommt ihnen die Telekom mit einer Technik ins Gehege, die ihr Geschäftsmodell durchkreuzt.
Falsch, kontert der Marktführer. Auch die Telekom verlege Glasfaser - und zwar schrittweise immer näher zum Endkunden. «Es gibt keine gute oder schlechte Technik», sagt Höttges und behindern wolle das Unternehmen die Wettbewerber schon gar nicht. Ein flächendeckender Glasfaserausbau gilt aber als extrem zeitaufwendig und kostspielig.
Dazu müssten mehrere Millionen Kilometer Leitungen verlegt werden. Kostenpunkt: 90 Milliarden Euro, schätzt der TÜV, Bauzeit bis 2030. Und in einem Punkt sind sich die Streithähne sogar einig: Die Kunden wollen heute einen schnellen Internetanschluss und nicht morgen oder übermorgen. Und welche Technik dahinter steht, ist für die Nutzer am Ende ohnehin nicht von Belang. (DPA)