Auf dem Spiel steht nicht weniger als die seit Jahren gelebte Solidarität unter den deutschen Proficlubs. Wenn sich die Vertreter der 1. und 2. Fußball-Bundesliga am Mittwoch im Frankfurter Marriott Hotel zu ihrer Mitgliederversammlung treffen, wird es dabei vor allem um die künftige Verteilung der TV-Einnahmen gehen. Die neuen, ab 2017 geltenden Fernsehverträge sind zwar noch nicht einmal ausgeschrieben worden. Doch schon jetzt ist darüber eine hitzige Diskussion entbrannt. «Schritt eins muss die Steigerung der Einnahmen auf 1,x Milliarden Euro (pro Saison) sein.
Im zweiten Schritt geht es um den Verteilermechanismus», sagte Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in einem «Kicker»-Interview.
In dieser Saison werden rund 850 Millionen Euro an TV-Geldern an die 36 deutschen Proficlubs ausgeschüttet. Entscheidend dabei ist: Diese Erlöse aus nationaler wie internationaler Vermarktung fließen in einen Topf bei der Deutschen Fußball Liga und werden dann nach einem festgelegten Schlüssel verteilt. 80 Prozent bekommen die Vereine der Ersten Liga, 20 Prozent die der Zweiten Liga. «Ich glaube, dass diese Solidargemeinschaft sehr wichtig ist für die Liga. Ich hoffe, dass sie Bestand hat», meinte Stefan Reuter, der Manager des FC Augsburg.
Von mindestens zwei Seiten ist dieser Gedanke zuletzt aber in Frage gestellt worden: Zweitligist FC St. Pauli fordert in einem Antrag, alle Vereine von der Zentralverteilung der Fernsehgelder auszuschließen, die sich zu mehr als 50 Prozent im Besitz eines Konzerns oder Mäzens befinden. Aktuell betrifft das die sogenannten Werksclubs VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und 1899 Hoffenheim.
Bayern München möchte erreichen, dass die großen und sportlich erfolgreichen Clubs deutlich mehr Geld erhalten als bisher. Gern im Rahmen der Zentralvermarktung - aber nicht um jeden Preis. «Wir führen jede Diskussion über Solidarität mit, solange sie nicht unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet», sagte Rummenigge.
Der schwerreiche FC Bayern und der vermeintlich linksalternative FC St. Pauli sind auf den ersten Blick die denkbar größten Antipoden im deutschen Fußball. Denkt man ihre Vorstöße aber bis zum Ende, hätten beide die gleiche Konsequenz: das Ende der viel beschworenen Solidargemeinschaft. Und der Beginn einer Ära, in der jeder Club seine TV-Rechte selbst vermarktet. «Dann würden die Bayern fast alles bekommen. Und das kann niemand wollen», sagte ein Club-Vertreter, der nicht genannt werden möchte, der Deutschen Presse-Agentur.
Es gibt seit längerer Zeit auch Vorschläge von Traditionsclubs wie Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt oder Werder Bremen, die Zentralvermarktung beizubehalten, aber dabei in Zukunft auch Faktoren wie Fanaufkommen oder Einschaltquoten bei TV-Übertragungen zu berücksichtigen. Die Vertreter der 2. Bundesliga treffen sich obendrein schon am Dienstagabend im Stadion des FSV Frankfurt, um über eine gemeinsame Position in diesem Streit zu diskutieren.
Ganz allgemein fällt dabei auf, dass der Verteilungskampf um die TV-Gelder völlig quer zu allen anderen sportlichen wie gesellschaftlichen Diskussionen steht, die gerade jenseits des Profifußballs geführt werden. Am Sonntag scheiterte die Hamburger Olympia-Bewerbung auch daran, dass sich die befragten Bürger unter anderem darum sorgten, wer die Spiele eigentlich bezahlen soll. Fast alle olympischen Sportarten beklagen sich zudem darüber, im Fernsehen nur noch selten oder gar nicht mehr präsent zu sein.
Im deutschen Profifußball dagegen sind laut einer McKinsey-Studie seit 2008 «alle wichtigen Einnahmequellen gewachsen: Von Sponsoring (plus 56 Prozent), Medienrechten (plus 47 Prozent) über Ticketverkäufe (plus 40 Prozent) bis hin zu Merchandising (plus 52 Prozent)». Trotzdem sagt Rummenigge: «Wir brauchen mehr Geld! Nicht nur Bayern München, die gesamte Bundesliga braucht mehr Geld!»
Der Bayern-Boss begründet diese Forderung mit der Finanzkraft der internationalen Konkurrenz. «Real Madrid und Barcelona kassieren trotz Zentralvermarktung 140 Millionen Euro jährlich. Und in England sind es für die Topclubs von Sommer 2016 an 200 Millionen Euro Minimum», sagte er dem «Kicker». «Mit weniger als einem Drittel davon, das uns zur Verfügung steht, wird es schwierig. Wir haben uns mit großer Mühe einen Status in Europa aufgebaut, diese internationale Rolle werden wir nicht kampflos aufgeben.»
Der mögliche neue DFB-Präsident Reinhard Grindel will sich den Proficlubs am Mittwoch ebenfalls vorstellen. Bis zum Aufkommen der TV-Gelder-Debatte sah es so aus, als sei dies der wichtigste Tagesordnungspunkt der Versammlung. Grindel ist der Kandidat des Amateurlagers im DFB, durch seine zügige Nominierung für das höchste Amt des deutschen Fußballs fühlten sich die Profivertreter brüskiert. Dank der Bayern und St. Pauli könnte der CDU-Politiker nun aber einen für ihn ruhigeren Vormittag erleben als zunächst befürchtet. (DPA)