Kommunen wollen vermehrt Gastfamilien für junge Flüchtlinge

Ein Pflegekind aus Afghanistan bei einer Pflegefamilie in Biberach. Foto: Stefan Puchner/Archiv
Ein Pflegekind aus Afghanistan bei einer Pflegefamilie in Biberach. Foto: Stefan Puchner/Archiv

Wegen der steigenden Asylbewerberzahlen und neuen Regeln zur Verteilung suchen viele Kommunen nach Gasteltern für minderjährige Flüchtlinge. «Die Träger der Jugendhilfe suchen nach Familien, landauf, landab», sagte Dagmar Trautner, Vorsitzende des Bundesverbands der Pflege- und Adoptivfamilien. Allerdings müsse jeder Fall einzeln geprüft werden, betonte Trautner: Nicht für alle Jugendlichen sei der Platz in einer Familie die beste Lösung. Viele seien auf der Flucht sehr selbstständig geworden und würden sich etwa in Wohngruppen besser zurechtfinden.

Doch für die Kommunen sind Gasteltern eine willkommene Ergänzung.


Knapp 4800 unbegleitete minderjährige Ausländer (UMA) gibt es derzeit im Südwesten, gut 60 000 in Deutschland. Durch die seit November geltende Quotenregelung müssen einige Länder nun deutlich mehr aufnehmen - in Baden-Württemberg muss die Zahl auf rund 8400 steigen. Zuvor waren die Kommunen zuständig, in denen die Minderjährigen angetroffen wurden, also häufig große Städte und grenznahe Kreise.


«Fast alle Jugendämter suchen nach Pflegefamilien», bestätigte Kristina Reisinger vom Kommunalverband Jugend und Soziales (KVJS) Baden-Württemberg. «Bislang war das eher die Ausnahme.» Doch die Kommunen rüsteten auch bei der Unterbringung auf: Bereits 100 neue Einrichtungen wie Wohngruppen und Jugendheime habe der KVJS in diesem Jahr bewilligt, 60 Anträge liegen noch vor. Landesweite Daten zu Gastfamilien gibt es nicht, doch viele Kommunen starten Aufrufe. Denn auch innerhalb des Landes wird nun umverteilt: Bisher hatten Städte wie Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim sowie Kommunen entlang des Rheins und an der Grenze zur Schweiz übermäßig viele Jugendliche aufgenommen.


«Wir suchen Gastfamilien», wirbt etwa die Stadt Ulm auf Plakaten. «Das ist eine persönliche und familiäre Entscheidung», erklärte Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD). «Aber wir sind sehr optimistisch, dass sich Familien melden.» Nach Einschätzung des Jugendamtes wäre das für rund ein Fünftel der jungen Flüchtlinge in der Stadt eine gute Lösung. Nun müsse Ulm auf Antworten warten. «Die Bereitschaft, ein völlig fremdes Kind aufzunehmen, ist ja keine spontane Entscheidung», sagte Gönner. Andere Kommunen haben Vorsprung: Im Kreis Biberach etwa haben nach Auskunft des Landratsamtes schon rund 40 Familien einen jungen Flüchtling aufgenommen.


«Bis vor einigen Monaten waren Flüchtlinge in Pflegefamilien noch die absolute Ausnahme», sagte Niels Espenhorst, Referent beim Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge. Zwar gebe es ein großes Interesse von potenziellen Gastfamilien - die meisten UMA seien aber bereits 16 Jahre oder 17 Jahre alt und daher nur noch kurz in der Jugendhilfe. Den Gasteltern müsse auch von vornherein bewusst sein, dass kulturelle Differenzen und schlicht die Pubertät für Reibereien sorgen könnten. (DPA/LSW)