Verheerender Smog schnürt Zig-Millionen Menschen in Peking und anderen Regionen Nordchinas die Luft ab. Erstmals in dieser Jahreszeit musste die chinesische Hauptstadt die zweithöchste Alarmstufe «Orange» ausrufen. Die Behörden forderten die mehr als 20 Millionen Pekinger auf, wegen der hohen Schadstoffbelastung nicht vor die Tür zu gehen. Schulen und Kindergärten stoppten Freiluft-Aktivitäten. Fabriken sollten die Produktion herunterfahren.
Während Staats- und Parteichef Xi Jinping in Paris am Auftakt der Weltklimakonferenz teilnahm, hüllte der dichte Smog außer Peking auch noch die Nachbarmetropole Tianjin und fünf nordchinesische Provinzen Hebei, Shandong, Henan, Shanxi und Shaanxi ein.
Der Index der US-Botschaft für den tückischen Feinstaub mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser (PM2,5) kletterte in der Hauptstadt auf über 600 Punkte. Damit wurde der Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um das 24-Fache überschritten.
Während unter 500 schon vor «gefährlicher» Luft gewarnt wurde, kommentierte die Webseite der US-Botschaft die weiter steigenden Werte erst mit «verrückt schlimm», dann mit «Oh mein Gott» und schließlich mit «Flüchte nach Bali!». In der Stadt Baoding in der Nachbarprovinz Hebei wurden sogar Werte von 848 für die gefährlichen Feinpartikel erreicht.
Ärzte warnen, dass Feinstaub direkt ins Blut gehen und Krebs erregen kann. Die hohen Schadstoffbelastungen schwächten auch grundsätzlich das Immunsystem und erleichterten den Ausbruch von Atemwegsproblemen oder auch Herz- und Kreislauferkrankungen.
Trotz der extremen Belastung wollten die Pekinger Behörden aber die höchste Alarmstufe «Rot» nicht ausrufen. ««Orange» beinhaltet bereits viele Zwangsmaßnahmen, um den Schadstoffausstoß zu reduzieren», argumentierte Direktor Wang Bin vom Umweltschutzamt Pekings laut Medienberichten. «Es sollte weitreichende Auswirkungen haben, wenn diese Maßnahmen ernsthaft umgesetzt werden.»
Bei «Rot» würden Fahrverbote erlassen und Schulen geschlossen, «so dass «Orange» weniger Beeinträchtigungen für die einfachen Bürger bedeutet», fand Wang Bin. Auch seien Mitte der Woche schon Wind und günstige Wetterbedingungen zu erwarten, so dass der Smog weggeblasen würde. Die Untätigkeit stieß aber auf Kritik von Internetnutzern: «Die einzige Gegenmaßnahme ist, dass der Wind bläst.»
«Ich fühle mich krank in diesem Smogwetter», klagte die 25-jährige Sekretärin Liang Ying. «Ich trage draußen eine Atemschutzmaske, lasse Zuhause die Luftfilter laufen, trinke viel Wasser.» Aus ihrer Sicht müssten die Behörden strengere Grenzwerte für den Ausstoß von Schadstoffen durch Fabriken erlassen.
«Ich war geschockt, als ich die heutigen Smogwerte sah», sagte die 35-jährige Zhang Li. «Es sieht wie in einem Science-Fiction-Film aus, in dem die Erde verschmutzt oder zerstört ist und alle sterben müssen. Ich bin so deprimiert», sagte die Übersetzerin zu dem schmutzigen Dunst, der Pekings Hochhäuser einhüllte und die Sichtweite in den Straßen auf wenige hundert Meter fallen ließ.
«Normalerweise trage ich Kontaktlinsen, aber bei derart schlimmer Luft entzünden sich meine Augen.» Aus Angst traut sich die Angestellte schon nicht mehr, die Schadstoffwerte über die in China weit verbreiteten Programme im Handy oder im Internet aufzurufen.
Wie viele andere lässt Zhang Li daheim und im Büro Luftreiniger laufen. «Wir stellen die Filter auf die höchste Stufe.» Doch selbst teure Luftfilter, die umgerechnet weit mehr als tausend Euro kosten und sonst in Labors zum Einsatz kommen, konnten die Luftwerte für die gefährlichen feinen Partikel in Wohnungen kaum unter 100 bringen.
«Die Regierung tut nicht genug, um die Luft zu verbessern», findet Zhang Li. Vielleicht gebe es Begrenzungen für Schadstoffe durch schwer verschmutzende Fabriken, aber diese müssten auch wirklich ernsthaft umgesetzt werden. «Das einzige, was die Behörden tun, ist, davor zu warnen, vor die Tür zu gehen», sagt sie. «Das ist nicht wirklich eine effektive Art, um gegen Smog anzugehen.» (DPA)