Verfassungsänderung senkt Hürden für Volksabstimmungen

Stuttgart (dpa/lsw) - Rund vier Monate vor der Landtagswahl ist das letzte große Projekt von Grün-Rot in trockenen Tüchern. Der Landtag beschloss am Mittwoch in Stuttgart einstimmig, die Landesverfassung zu ändern. Damit wurden die Hürden für Volksabstimmungen im Land gesenkt. Der Staatsgerichtshof heißt künftig Verfassungsgerichtshof. Und in die Verfassung wurden drei neue Staatsziele aufgenommen. Gestärkt werden sollen der Kinder- und Jugendschutz sowie das Ehrenamt. Hinzugefügt wurde auch das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse für die Bürger im Land zu schaffen. Es ist die erste Verfassungsänderung unter der grün-roten Regierung.

Grüne, SPD, CDU und FDP hatten lange um die Änderungen gerungen. Die Regierung musste die Opposition mit ins Boot holen, da eine Verfassungsänderung nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich ist. Vertreter aller vier Fraktionen sowie Innenminister Reinhold Gall (SPD) lobten, dass eine Einigung nun gelungen sei. Der Verein «Mehr Demokratie» erklärte zum Thema Bürgerbeteiligung: «Mit der Reform beginnt eine neue Ära.» Allerdings gab es auch leise Kritik: Mit dem jetzigen Gesetz sei es schwer möglich, Volksabstimmungen mit Wahlen zusammenzulegen. «Die Zusammenlegung mit Wahlen sollte immer möglich sein, um eine hohe Wahlbeteiligung zu erreichen, aber auch wegen der großen Kostenersparnisse», sagte Geschäftsführerin Sarah Händel.


BÜRGERBETEILIGUNG: Für Volksabstimmungen über einfache Gesetze wurde das Zustimmungsquorum von 33 Prozent auf 20 Prozent gesenkt. Das Quorum gibt den Prozentsatz aller Abstimmungsberechtigten an, der zustimmen muss, damit eine Volksabstimmung überhaupt gültig ist. Kritiker hatten immer wieder angeführt, dass die bisherigen Anforderungen schwer erfüllbar seien. Außerdem führt das Land die Volksinitiative ein. Bürger können den Landtag dazu zwingen, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen, wenn insgesamt 0,5 Prozent der Wahlberechtigten in Baden-Württemberg dies genauso sehen.


VERFASSUNGSGERICHTSHOF: Der Staatsgerichtshof heißt künftig Verfassungsgerichtshof. Hintergrund der Umbenennung ist, dass Bürger seit dem 1. April 2013 vor dem Gerichtshof Verfassungsbeschwerde einlegen können. Damit können sie überprüfen lassen, ob Landesgesetze, Verordnungen oder Gerichtsentscheidungen gegen die Landesverfassung verstoßen. Vorher gab es dieses individuelle Recht, Verfassungsbeschwerden im Land einlegen zu können, nicht.


STAATSZIELE: Es wurden neue Staatsziele aufgenommen. «Kinder und Jugendliche haben als eigenständige Persönlichkeiten ein Recht auf Achtung ihrer Würde, auf gewaltfreie Erziehung und auf besonderen Schutz», heißt es nun in der Verfassung. Kinder und Jugendliche seien gegen Ausbeutung, Vernachlässigung und Gefahren zu schützen. Zudem ist nun verankert, dass der Staat das Ehrenamt fördert und gleichwertige Lebensverhältnisse im Land schaffen soll. Das heißt zum Beispiel, dass Menschen, die auf dem Land leben, nicht im Vergleich zu Stadtbewohnern benachteiligt werden sollen - etwa bei Verkehrsanbindungen oder beim Zugang zum schnellen Internet. Bürger können die Umsetzung der Staatsziele aber nicht konkret einklagen. (DPA/LSW)