In Stein gemeißelt - Eine Branche im Umbruch

Branche im Umbruch: War ein Grabstein früher selbstverständlich, so sei das heute nicht mehr der Fall, sagt Steinmetz Michael Walter. Foto: Patrick Seeger
Branche im Umbruch: War ein Grabstein früher selbstverständlich, so sei das heute nicht mehr der Fall, sagt Steinmetz Michael Walter. Foto: Patrick Seeger

Michael Walter und seine Kollegen geben der letzten Ruhestätte dauerhaft ein Gesicht. Als Steinmetze fertigen sie den Grabstein, der nach der Beerdigung auf dem Friedhof steht. Doch die Zukunftsaussichten der Branche sind nicht mehr so rosig wie früher. Der Trend zur Feuerbestattung und zu alternativen Beerdigungsformen wie Natur- oder Seebestattung macht Steinmetzen zu schaffen. Weil die Zahl der traditionellen Beerdigungen auf Friedhöfen seit Jahren stark zurückgeht, müssen sie umdenken.

Der als Trauermonat geltende November bringt die Themen Sterben, Tod und Trauer jährlich ins öffentliche Bewusstsein. Für den 55 Jahre alten Michael Walter, Steinmetz- und Steinbildhauermeister in Oberkirch im Schwarzwald ist der Umgang mit dem Tod Alltagsarbeit. Sein 21 Mitarbeiter zählendes Unternehmen Jogerst Steintechnologie macht Grabsteine. Und ist beispielhaft für eine Branche im Umbruch.


Die Zahl der Bestattungen in Deutschland ist mit mehr als 800 000 pro Jahr zwar stabil, doch die Formen verändern sich. War eine Erdbestattung auf dem örtlichen Friedhof mit Sarg und Grabstein früher die Regel, wird sie immer mehr zum Auslaufmodell.


«In vielen Gemeinden hat die Zahl der Bestattungen auf Friedhöfen Tiefstände erreicht», sagt Tobias Pehle, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Naturstein-Verarbeiter (VDNV). Das habe Folgen. Die Entwicklung «weg vom Friedhof» gefährde Arbeitsplätze, zum Beispiel bei Steinmetzen. Deutschlandweit gibt es nach Angaben des Verbandes 6000 bis 7000 Steinmetze, die traditionsreiche Branche ist regional und mittelständisch geprägt. Wegen gesellschaftlicher Veränderungen ist sie mitten im Strukturwandel.


«Das Bild verändert sich», sagt Firmenchef Walter. War ein Grabstein früher selbstverständlich, so sei das heute nicht mehr der Fall. Urnengräber beispielsweise brauchen keinen Stein, auch Gräber im Wald kommen ohne aus. Steinmetze werben daher für den Friedhof. Dieser sei der «zentrale Ort des Abschiednehmens und Gedenkens».


«Der Friedhof ist das Geschichtsbuch einer Stadt», sagt Walter. Ohne ihn und ohne Grabsteine werde diese Geschichte nicht festgehalten. Zudem seien Friedhöfe, gerade für ältere Menschen, ein wichtiger Begegnungsort.


Gleichzeitig steigen bei konventionellen Bestattungen die Anforderungen. Denn nicht nur die Branche ist im Wandel, auch die Grabsteine selbst verändern sich. Ein «Stein von der Stange» komme für Kunden meist nicht mehr infrage, sagt Pehle. Gefragt seien individuelle Formen des Erinnerns. Steinmetze müssten sich zwar weiterhin als Handwerker, vor allem aber als Künstler verstehen.


Ein schlichter, grauer Stein mit dem Namen des Toten sowie seinen Geburts- und Sterbedaten alleine werde immer seltener, sagt Walter. Persönliche Motive oder Gegenstände seien zunehmend Bestandteil, ebenso Holz- oder Stahlelemente im Stein sowie buntere Farben und gewagtere Formen. Es kommen regelrechte Skulpturen auf die Gräber. Das verändere das Bild der Friedhöfe.


Zudem gehe der Trend hin zu hochwertigen Materialien und zu Naturprodukten. «Es ist ein bewusstes Zeichen setzen - der Stein als Visitenkarte des Toten und des Grabes.» Das, was den Verstorbenen ein Leben lang ausgemacht habe, solle in einem Stein festgehalten, verewigt und erzählt werden. Darin bestehe die Kunst. «Unsere Arbeit geht weg vom einfachen Meißeln, hin zum Gestalten», sagt Walter.


Auch der Verband der Deutschen Zulieferindustrie für das Bestattungsgewerbe wirbt für den Friedhof. «Seit 2011 gibt es bundesweit mehr Feuer- als Erdbestattungen. Und die Entwicklung macht mittlerweile auch vor dem ländlichen Raum nicht mehr Halt», sagt Geschäftsführer Siegfried von Lauvenberg. Darunter leiden nicht nur Steinmetze. Auch Sarghersteller spüren den deutlichen Rückgang und fürchten um Existenzen und Arbeitsplätze.


Nun hoffen Steinmetze und Sargbauer auf ein Umdenken bei Hinterbliebenen und Bestattern. «Es gibt erste Anzeichen, dass sich der seit Jahren andauernde Trend wieder umkehrt», sagt Pehle vom Verband der Steinmetze. «So wurden in diesem Jahr nur noch eine Handvoll neuer Urnenwälder eröffnet. In den Jahren zuvor waren es bis zu fünfzig neue Wälder.» Der Friedhof bekomme nach Jahren der Abkehr wieder etwas mehr Wertschätzung. (DPA)