Die Terroristen von Paris schossen in Cafés, Restaurants, in einer Konzerthalle - Orte, an denen sich jedermann am Abend aufhalten könnte. Nach der Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover wegen Terror-warnungen rückt die Bedrohungslage auch hierzulande stärker ins Bewusstsein. Mancher stellt sich vor, er wäre in einer solchen Situation. Was tun? Wer sich richtig oder falsch in einer solchen Ausnahmesituation verhält - darauf könne es keine einfache Antwort geben, sagen Experten.
Eine Checkliste für das Überleben während eines Terroranschlags aufzustellen - das sei vergebliche Mühe und mit Blick auf die Opfer auch zynisch. «Ob man überlebt oder stirbt, das ist von Zufall abhängig», stellt der Diplom-Psychologe Everhard von Groote vom Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement nüchtern fest.
Es ist auch vom Zufall abhängig, wie nah man den tatsächlichen Ereignissen ist. Und je größer der Abstand zu einem Attentäter oder einer Explosion ist, desto entscheidender kann das eigene Verhalten im Ernstfall sein. «Es wird immer eine gute Idee sein, solange es irgendwie geht, wegzukommen vom Ort des Geschehens», sagt von Groote.
Doch das ist schon das erste Problem: Denn viele Menschen versuchen etwa bei Großveranstaltungen dort hinaus zu kommen, wo sie herein gekommen sind, wie der Psychologe erklärt. So werden oft viele alternative Notausgänge, die schneller nach draußen führen, gar nicht genutzt. Deshalb ist es aus Expertensicht sinnvoll, bei Konzerten, Fußballspielen oder im Kino vorher den schnellsten Weg zum Ausgang zu erkunden - und zwar nicht nur wegen Terrorgefahr. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ein Feuer ausbricht.
Der Überlebenspsychologe John Leach von der Universität Portsmouth etwa geht auf Reisen im Hotel immer den schnellsten Fluchtweg in die Lobby zu Fuß ab. «Nachdem ich in meinem Zimmer angekommen bin, schaue ich, wo der Notausgang ist und gehe die Treppen nach unten. Ich nehme nicht den Fahrstuhl», erzählt er.
Er sagt, in unserem Kopf sei ein Modell der Realität. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiere, stimme dieses Modell nicht mehr. Dann brauchen wir einige Zeit, um für die neue Situation einen Plan zu entwickeln, wie er sagt. «Und in dieser Phase der Ungewissheit sind wir am angreifbarsten, weil wir nicht wissen, was zu tun ist.» Diese Phase lässt sich verkürzen, in dem man den Ernstfall im Kopf vorher einmal durchgespielt hat. Das könne helfen, die Zeit, in der wir nicht reagieren, zu verkürzen, sagt Leach. Der Experte findet dieses Verhalten auch nicht paranoid - solange man es nicht zu weit treibt und in ständiger Angst vor einem Anschlag lebt.
Ähnlich sieht es von Groote. «Wir sollten es uns nicht nehmen lassen, auf Weihnachtsmärkte und Konzerte zu gehen», sagt er. «Aber ich weiß immer gern, wo ich bin - und wo es raus geht.»
Doch was bedeutet das im Alltag? Sollen wir uns vor jedem Restaurantbesuch auf das Schlimmste einstellen? Können wir uns nicht auf unseren Instinkt verlassen? «Wenn man sich mit dem Thema vorher ein bisschen beschäftigt hat, können die Instinkte im Ernstfall ein bisschen mehr in die richtige Richtung zeigen», sagt von Groote. Er vergleicht das Ganze mit dem Anschnallen im Auto. «Ich denke nicht darüber nach, was alles für schlimme Unfälle passieren können», sagt er. «Ich tue es einfach.»
Es gibt weitere, handfeste Ratschläge für den Fall eines Terroranschlags, wenn auch wenige. Hinter Mauern Schutz suchen etwa - nur die sind in der Regel wirklich schusssicher. Verstecken ist überhaupt ein Rat. Aber was am jeweiligen Ort ein sicheres Versteck sein könnte, lässt sich nicht abstrakt sagen.
Und dann natürlich: Totstellen - sagen die einen. Weglaufen die anderen. Es gibt kein einfaches Richtig oder Falsch im Ernstfall, keinen universellen Rat, der das eigene Leben rettet. Deshalb trifft auch niemanden Schuld, wenn er eine vermeintlich «falsche» Entscheidung trifft, betont von Groote. «Schuld sind immer nur die Täter.» (DPA)