Bauland wird gerade in Ballungsgebieten rar. Aber warum nicht alte Gebäude umbauen und bewohnen, die vielleicht bisher nicht als Wohngebäude genutzt wurden? Einige Bauherren haben die verrücktesten Ideen - und heraus kommen Traumhäuser. «Wir suchten das geringelte Maiglöckchen», beginnt Katja John die Geschichte ihrer Suche nach dem Traumhaus. Es klingt wie die Wünsche so vieler künftiger Bauherren: Es soll frei stehen, im Grünen liegen und gut an die Infrastruktur angebunden sein. Dann entdeckte John eine Immobilienanzeige:
Industriegebäude mit viel Potenzial, ein großer Raum mit 90 Quadratmetern, kleine Nebenräume.
Es handelte sich um eine ehemalige Trafo-Station der Straßenbahn in Kassel aus dem Jahr 1939. Ein schlichtes, funktionales Gebäude mit schönem Natursteinsockel. Die Johns entschieden sich sofort und sagten zu. Aber der Aufwand war groß. «Er war zu groß, um zu sagen, wir verzichten beim Umbau auf Statiker und Architekten», erklärt Katja John. «Außerdem sollte man nicht so ein altes Objekt kaufen, ohne die Bausubstanz prüfen zu lassen.»
Das alte Technikgebäude bot nicht die optimale Wohnumgebung. Außerdem hatte die Kirchengemeinde die Decken abgehangen. Fensterrahmen aus Plastik, Raufasertapeten und Teppichböden nahmen dem Haus seinen besonderen Charme. Außerdem musste für den im Rollstuhl sitzenden Manfred John Barrierefreiheit geschaffen werden. Der Umbau gelang dem Architekten Reinhard Paulun aber so gut, dass das Gebäude mit dem vierten Platz im Wettbewerb der KfW-Förderbank ausgezeichnet wurde.
«Wir wollten der Substanz des alten Hauses Rechnung tragen und so viel wie möglich erhalten», betont Katja John. So investierte sie selbst viel Zeit auf dem Bau. Wurde irgendwo eine Wand durchbrochen, sortiere sie etwa Ziegel aus, um viele direkt wiederzuverwerten.
Fantasiereiche Bauherren finden unzählige solcher Gebäude auf dem Markt, etwa Posthäuser, Mühlen, sogar Wehranlagen. Kennt nicht jeder so ein leerstehendes Gewerbehäuschen am Ortsrand? Die Schlosserei und Schmiede der LPG Gerswalde in der Uckermark gehörte auch dazu. 1987 erbaut war sie nur kurz in Betrieb, verkam dann fast zur Ruine. Bis der Schreiner Gerhard Schütze sie gemeinsam mit Architekt Thomas Kröger zum Wohnhaus mit Werkraum machte.
Was daraus entstand, ist ein optisch völlig neues und modern wirkendes Gebäude mit grünlicher Welldach-Verkleidung. Die Beschalung aus Lärche an den Seiten ist typisch für die Siedlungsbauten in der Nachbarschaft. Im Inneren gibt es nun die drei getrennten Bereiche Werkstatt, Ausstellung und Wohnen in moderner Optik. Letzterer ist geprägt durch Kiefernholz, und es gibt tiefe Fenster für viel Licht.
Fantasie hatte auch Michael Fochler. «Viele sagten, ich muss verrückt sein», erzählt er. «In einer Werkstatt kann man doch nicht wohnen.» Denn er baute die alte Auto-Werkstatt seiner Familie in Parsdorf bei München um. 1946 hatte sein Urgroßvater diese selbst gemauert. Irgendwann folgte Leerstand, der Abriss drohte. Aber Fochler wollte die Familiengeschichte und seine Kindheitserinnerungen erhalten.
Außerdem bot die Grundstruktur des Gebäudes viel von dem, was heutiges Wohnen ausmacht: Offene Grundrisse, fließende Übergänge von Raum zu Raum gelten im Neubau heute als Standard. Eine alte Werkshalle als Gerüst für den Innenausbau bietet all das. Und die großen Fenster in Kassettenoptik lassen viel Licht in die Räume.
Auch Fochler war es wichtig, dass der Handwerks-Charme des Gebäudes erhalten blieb. Und das setzte er bis in die Inneneinrichtung hinein um: Die Lampen und Stahlträger an der Decke versprühen schicken Industrie-Charme. Alte Schilder, die Autozubehör bewerben, dekorieren den Wohnraum. Dieser wirkt so nicht mehr wie eine Schrauber-Stätte, sondern eher wie ein schickes Industrieloft. (DPA/TMN)