Raumfahrer, Lokführerin, Tierarzt oder Feuerwehrfrau: Das sind noch immer die klassischen Berufswünsche der Sechsjährigen. Vielleicht finden sich aber künftig ein paar Nachwuchs-Fachkräfte, die von einem Leben als Chief Thinker oder Answer Bar Representative träumen. All diese merkwürdigen Titel finden sich in Jobbörsen tatsächlich. Dahinter verbergen sich in der Regel Berufe aus der Welt der Informationstechnik (IT). Grund für den Trend zum blumigen Titel ist der technische Fortschritt. Der produziert neue Betätigungs-felder für IT-Abteilungen.
«Die Themen, die in Zukunft den Arbeitsmarkt bestimmen, sind unter anderem Cloud Computing, Big Data und der Themenkomplex Industrie 4.0», nennt Stephan Pfisterer vom Branchenverband Bitkom ein paar Beispiele.
Wo es neue Themen gibt, finden sich auch neue Jobs: Experten für Cloud Computing müssen zum Beispiel den Datenabgleich zwischen einem Computer im Büro und dem Server in der «Wolke» regeln. Große Datenmengen (Big Data) verlangen nach Experten, die das Dickicht nach Brauchbarem durchforsten - den sogenannten Data Scientists. Und bei der Industrie 4.0 geht es unter anderem darum, die Zusammenarbeit vernetzter Maschinen in Fabriken zu organisieren.
«Die Anforderungen an spezialisierte IT-Berufe und die Bedeutung von IT-Fachkräften haben zugenommen», sagt Tobias Kollmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik an der Universität Duisburg-Essen. Um das Feld der Bewerber einzugrenzen, greifen Firmen deshalb schon im Jobtitel auf Fachbegriffe zurück. Ein Android Developer ist also kein Entwickler, der wie ein Roboter arbeitet, sondern schlicht ein Kenner des gleichnamigen Betriebssystems. Und ein Scrum Master ist ein Projektleiter, der mit der Management-Methode Scrum umgehen kann.
Manchmal verbergen sich hinter den Titeln nicht nur Spezialisierungen, sondern ganz neue Jobs. Ein gutes Beispiel dafür ist der Monetisation Manager, der etwa bei einem Entwickler von Computerspielen arbeitet. Er sucht dort nach Methoden, dass Nutzer bei eigentlich gratis angebotenen Spielen Geld bezahlen.
Natürlich setzen die Firmen bei solchen Titeln auch auf einen Marketingeffekt, sagt Kollmann. «Ein gut klingender Titel ist gut für das Selbstwertgefühl.» Im Extremfall entsteht so ein «Answer Bar Representative», der früher einfach ein Rezeptionist war. Und die Aufgaben des Chief Thinker liegen irgendwo zwischen radikalen Ideen und der Gesamtstrategie einer Firma. Man könnte auch Chef sagen.
Dass es theoretisch ganz ohne Titel geht, zeigen Management-Methoden wie Holacracy: Damit sollen Firmen theoretisch ohne feste Jobtitel und Hierarchien auskommen. An ihre Stelle treten Teams und Mitarbeiter, die ihre Arbeit nach Bedarf immer neu organisieren. «Im Idealfall sorgt das dafür, dass sinnlose Arbeit wegfällt und notwendige erledigt wird», sagt Martin Röll, der die Methode in seiner Unternehmensberatung selbst verwendet.
Gibt es in Zukunft statt möglichst blumiger Titel also gar keine mehr? Ganz so krass ist es nicht, sagt Röll: «Holacracy sorgt nicht dafür, dass Organisationen gezielt nach Multitalenten suchen. Aber es kann schon passieren, dass Techniker zum Beispiel Designrollen übernehmen - das ist dann ein schöner Nebeneffekt.» (DPA/TMN)