Bei einer beispiellosen Terrorserie in Paris mit mehreren fast zeitgleichen Anschlägen sind mindestens 120 Menschen getötet worden. Mehr als 200 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Attentäter schossen am Freitagabend an verschiedenen Orten der französischen Hauptstadt wild um sich und zündeten mehrere Bomben. Allein in der Konzerthalle «Bataclan» richteten sie ein Massaker mit mindestens 80 Toten an. Vier Tote gab es in der Nähe des Stadions Stade de France, wo gerade das Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Frankreich stattfand.
Frankreich befindet sich damit erneut in einem Schockzustand. Die Zeitung «Le Figaro» titelte: «Krieg mitten in Paris». Erst vor zehn Monaten hatte ein brutaler Überfall von islamistischen
Terroristen auf die Satire-Zeitschrift «Charlie Hebdo» und einen jüdischen Supermarkt das Land erschüttert.
Präsident François Hollande rief in einer Fernsehsprache an die Nation den Ausnahmezustand aus. Zugleich sagte er dem Terrorismus «erbarmungslosen» Kampf an. Die Grenzkontrollen wurden verstärkt - auch mit Blick auf den Weltklimagipfel, zu dem Paris Ende des Monats Spitzenpolitiker aus aller Welt erwartet. Entgegen ersten Ankündigungen blieben die Grenzen aber geöffnet.
Die genauen Hintergründe der Angriffe waren auch nach Stunden noch unklar. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen Terrorismus ein. Befürchtet wurde, dass sich Attentäter oder Komplizen noch auf freiem Fuß befinden könnten. Nach Polizeiangaben starben mindestens sieben Angreifer.
Alle Indizien deuten darauf hin, dass es sich um eine minutiös vorbereitete Aktion handelte. Bei dem Überfall auf das «Bataclan» soll einer der Männer «Allah ist groß» gerufen haben. Ein Augenzeuge berichtete ferner, dass die Angreifer ihre Tat mit Frankreichs Militäreinsatz in Syrien begründet hätten. Der Mann habe gerufen: «Das ist die Schuld von Hollande. Das ist die Schuld Eures Präsidenten. Er hätte nicht in Syrien eingreifen dürfen.» Von Anhängern der Terrormiliz Islamischer Staat wurde die Attacken im Internet gefeiert.
Nach bisherigen Erkenntnissen begannen die Anschläge kurz nach 21.00 Uhr an sechs verschiedenen Orten der französischen Hauptstadt. Ziele waren neben dem Konzertsaal im 10. Arrondissement auch drei Cafés und Restaurants in der Nähe. Im Café «Le Carillon» gab es mindestens 14 Tote, im Café «La Belle Équipe» mindestens 18 Tote. Wegen der vergleichsweise milden Temperaturen saßen zu Beginn des Wochenendes in Paris noch sehr viele Menschen draußen.
Das schlimmste Bild bot sich im «Bataclan», einer der bekanntesten Konzerthallen von Paris. Allein dort starben mindestens 80 Menschen. Nach Augenzeugenberichten waren mehrere unmaskierte Männer in den ausverkauften Saal gestürmt, wo gerade die US-Rockband «Eagles of Death Metal» auftrat. Mit Maschinengewehren schossen sie mehr als 10 Minuten wild um sich. Der Boden war anschließend übersät mit Leichen.
Vielen der fast 1500 Zuschauer gelang die Flucht. Einer von ihnen, Julien Pearce, berichtete anschließend: «Das hat 10, 15 Minuten gedauert. Das war von extremer Gewalt. Es gab Panik. Alle sind Richtung Bühne gerannt. Die Attentäter hatten Zeit, mindestens drei Mal nachzuladen. Sie waren nicht maskiert. Sie traten sehr beherrscht auf. Sie waren sehr jung.»
Nach Angaben der Polizei töteten sich drei der Angreifer dann selbst, indem sie ihre Sprengstoffgürtel zündeten. Ein vierter sei von der Polizei getötet worden.
Die Gegend rund um das «Bataclan» wurde weiträumig abgeriegelt. Sie gehört zu den beliebtesten Ausgehvierteln der französischen Hauptstadt. Die Redaktion von «Charlie Hebdo», die im Januar von Terroristen überfallen worden war, ist nur wenige Straßenzüge entfernt. Noch in der Nacht eilten Hollande und Regierungschef Manuel Valls an den Tatort.
Die Explosionen vor dem Stade de France hatte Hollande auf der Ehrentribüne mit angehört, zusammen mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der an seiner Seite saß. Gleich danach ließ er sich in der Schaltzentrale des Stadions telefonisch über die Ereignisse unterrichten. Noch während des Spiels wurde der Präsident dann aus dem Stadion gebracht. Steinmeier versicherte: «Wir stehen an der Seite Frankreichs.» In der Nähe des Stadions starben nach offiziellen Angaben auch drei Angreifer.
Hollande wandte sich noch während der Anschläge übers Fernsehen an seine Landsleute. In einer Rede an die Nation sagte er: «Die Terroristen wollen uns in Angst und Schrecken versetzen. Man kann Angst haben, man kann Schrecken verspüren. Aber dem Entsetzen steht eine Nation gegenüber, die weiß, wie sie sich verteidigt. Die weiß, wie sie ihre Kräfte sammelt. Und die einmal mehr wissen wird, wie sie die Terroristen besiegen wird.»
Aus Sorge vor weiteren Anschlägen wurde das Militär verstärkt. Alle Krankenhäuser der französischen Hauptstadt wurden in den Ausnahmezustand versetzt. Die Polizei appellierte an die Bevölkerung: «Wir bitten Sie, die eigenen vier Wände nicht zu verlassen und auf Anweisungen der Polizei zu warten.»
Die Anschlagsserie löste weltweit Entsetzen aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck äußerten ihre tiefe Erschütterung. Merkel sagte: «Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei den Opfern der offensichtlich terroristischen Angriffe, ihren Angehörigen sowie allen Menschen in Paris.»
US-Präsident Barack Obama verurteilte die Anschläge als «abscheulichen Versuch», die Welt zu terrorisieren. «Wir werden tun, was immer auch getan werden muss, um diese Terroristen zur Verantwortung zu ziehen.» Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, sprach ebenfalls von «abscheulichen Terrorakten».
In Frankreich galten bereits vor den Anschlägen seit gestern wieder verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Wegen «terroristischer Gefahr» und «Risiken für die öffentliche Ordnung» hatte die Regierung auch beschlossen, vor der Weltklimakonferenz die Grenzkontrollen wieder aufzunehmen. Die Konferenz beginnt am 30. November.
Mit mindestens 120 Toten ist dies die schlimmste Terrorserie in Europa seit mehr als zehn Jahren. Im März 2004 waren bei mehreren Anschlägen auf Züge in Madrid 191 Menschen getötet und annähernd 2000 verletzt. Die Anschläge gingen auf das Konto von islamistischen Terroristen. (DPA)