Die kauffreudigen Verbraucher halten die deutsche Konjunktur auf Kurs. Auch die Sonderausgaben des Staates für die Unterbringung der Flüchtlinge dürften die Wirtschaftsleistung etwas gesteigert haben. Insgesamt ist die deutsche Wirtschaft im Sommer aber weniger schwungvoll gewachsen als zuletzt: Die Unternehmen haben weniger investiert und vom Außenhandel kamen keine Impulse. Ähnlich sieht es in der gesamten Eurozone aus.
Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, stieg das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent. Im Frühjahr war die Wirtschaftsleistung im Quartalsvergleich noch um 0,4 Prozent gewachsen, zu Jahresbeginn um 0,3 Prozent.
Impulse kamen erneut vor allem von der Binnennachfrage. Sowohl die privaten als auch die staatlichen Konsumausgaben konnten weiter zulegen, berichteten die Statistiker.
«Zum einen stützen die Kaufkraftgewinne durch niedrige Inflation bei steigenden Löhnen den privaten Konsum», betont Ökonom Stefan Kipar von der BayernLB: «Zum anderen dürfte der öffentliche Konsum bereits im Sommer durch Ausgaben zur Bewältigung der Flüchtlingsströme stimuliert worden sein.»
Auch Holger Schmieding, Chefvolkswirt beim Bankhaus Berenberg, stellt fest: «Getragen von der Rekordbeschäftigung und bedeutenden Zuwächsen der Kaufkraft haben die Deutschen mehr Geld - und sie geben es aus.»
Hingegen hat die schwache Weltwirtschaft die deutsche Konjunktur abgekühlt. Die Anlageinvestitionen waren leicht rückläufig, und auch der Außenhandel bremste nach vorläufigen Berechnungen das Wachstum. «Schlimmeres konnte wegen der robusten Industrieländerkonjunktur und der Abwertung des Euro vermieden werden», erklärte Ökonom Andreas Scheuerle von der DekaBank. Zwar bewegen sich die Ausfuhren auf Rekordkurs, aber die Importe stiegen deutlich stärker als die Exporte - was auf eine robuste Binnennachfrage hindeutet.
Auch in der gesamten Eurozone zeigte sich die Konjunktur im dritten Quartal wenig dynamisch. Die Wirtschaftsleistung stieg zum Vorquartal um 0,3 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Im zweiten Quartal hatte das Wachstum noch 0,4 Prozent betragen, im ersten Quartal lag es bei 0,5 Prozent.
Besonders schwach entwickelte sich die Wirtschaft in Estland, Finnland und Griechenland, wo das BIP im Quartalsvergleich zurückging. Den deutlichsten Zuwachs erzielte Spanien mit 0,8 Prozent. Im Jahresvergleich wuchs die Wirtschaft in den Ländern mit Eurowährung von Juli bis September um 1,6 Prozent.
Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Gruppe, nannte die deutsche Wachstumsrate «in Anbetracht der globalen Widrigkeiten akzeptabel». Für ING-DiBa-Ökonom Carsten Brzeski zeigen die BIP-Zahlen hingegen nur, «dass der von niedrigen Zinsen, einem starken Arbeitsmarkt mit steigenden Löhnen und der Mini-Inflation getriebene Konsum die Schwäche von Industrie und Außenhandel noch kompensieren kann».
Doch die Sommerschwäche der deutschen Industrie scheine mehr zu sein als eine ferienbedingte Delle, sagte Brzeski: «Die Turbulenzen in den Schwellenländern und die Verlangsamung des chinesischen Wachstums haben jetzt auch Spuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen.»
Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer beobachtet einen starken Gegenwind aus den Schwellenländern für den deutschen Export. So seien die Auftragseingänge von außerhalb des Euroraums seit dem Sommer um rund 10 Prozent eingebrochen. Tendenziell werde sich der Wachstumsvorsprung der Schwellenländer gegenüber den Industrieländern weiter verringern: «Das trifft Deutschland besonders, weil 40 Prozent seiner Exporte in die Schwellenländer gehen.»
Im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Wirtschaftswachstum allerdings leicht beschleunigt: Das preisbereinigte BIP stieg im dritten Quartal auf Jahressicht um 1,8 Prozent (kalenderbereinigt 1,7 Prozent) - nach 1,6 Prozent im zweiten und 1,2 Prozent im ersten Vierteljahr 2015. (DPA)