Nach den erschütternden Enthüllungen im WM-Skandal wartet Fußball-Deutschland gespannt auf eine Reaktion des öffentlich angezählten Franz Beckenbauer. Nach außen verfolgt der Kaiser weiter seine Strategie des eisernen Schweigens, kündigte am Mittwoch aber zumindest weitere Aussagen vor den externen DFB-Ermittlern an. «Franz Beckenbauer steht den zuständigen Gremien weiterhin zur Verfügung und wird sich daher öffentlich nicht äußern», teilte Beckenbauers Management in einem knappen Statement mit.
Während sich die Aufklärung der Korruptionsvorwürfe um die Vergabe der WM 2006 an Deutschland mit Beckenbauer als zentraler Figur noch lange hinziehen wird, ist die Debatte um die Nachfolge des zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach im vollen Gange.
Niedersachsens Landeschef Karl Rothmund überraschte am Mittwoch mit der Aussage, dass der hochgehandelte Interimspräsident Rainer Koch für den DFB-Chefposten nicht zur Verfügung stünde. Somit würde viel auf den CDU-Bundestagsabgeordneten Reinhard Grindel als Niersbach-Nachfolger hindeuten.
«Da Rainer Koch aber nicht kandidiert, sondern Reinhard Grindel unterstützt - das weiß ich seit zwei Tagen und das wissen viele seit zwei Tagen - glaube ich, dass Reinhard Grindel gute Chancen hat, gewählt zu werden», sagte der ehemalige DFB-Vize Rothmund der Deutschen Presse-Agentur.
Koch war der Frage nach eigenen Ambitionen auf das Präsidentenamt zuletzt ausgewichen. Am Mittwoch war er nicht zu erreichen. Auch Grindel hielt sich mit Aussagen zu einer Kandidatur zurück. «Ich konzentriere mich völlig auf die Aufklärungsarbeit der Vorwürfe im Zusammenhang mit der WM 2006 und beteilige mich nicht an Personalspekulationen», sagte der DFB-Schatzmeister der dpa.
Möglicherweise wird sich schon in der kommenden Woche eine Lösung abzeichnen. Dann tagt das DFB-Präsidium erstmals ohne den zurückgetretenen Niersbach, der sich am Mittwochmorgen von seinen Mitarbeitern in der Verbandszentrale verabschiedete. Es sei «hoch emotional» gewesen, sagte Niersbach dem TV-Sender Sky. «Ich verhehle nicht, dass mir selbst da ein paar Tränen gekommen sind.»
Auch die Landesverbände werden sich nach Angaben des hessischen Verbandschefs Rolf Hocke am Dienstag in Hannover treffen. Konkret solle darüber diskutiert werden, ob sich die Regional-Organisationen für die Einberufung eines außerordentlichen DFB-Bundestags und eine damit verbundene Präsidentenneuwahl aussprechen. Oder ob mit dem neuen Führungsduo Koch/Reinhard Rauball bis zum nächsten ordentlichen Bundestag im November 2016 gearbeitet werden könne.
Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sprach sich gegen die aktuell amtierende Doppelspitze als Interimsführung beim DFB aus. Vielmehr solle Rauball die Geschäfte alleine führen. «Ich würde empfehlen, dass Dr. Rauball, der nachweislich kein Interesse hat, Präsident des DFB zu werden, dass er völlig wertfrei die Geschäfte führt», sagte er in München.
Als einer der wenigen in diesen Tagen trat Rummenigge als Unterstützer für den schwer unter Beschuss geratenen Beckenbauer ein und kritisierte den DFB wegen des Umgangs mit dem 70-Jährigen. «Wenn ein Freund in schwierigen Zeiten steht, muss man ihm zur Seite stehen. Ich verstehe, dass der DFB größtes Interesse haben muss, dass die ganze Angelegenheit aufgeklärt werden muss», sagte Rummenigge.
Er würde sich «einen etwas sensibleren Umgang mit der Person Franz Beckenbauer wünschen, weil ich glaube, dass auch der DFB durchaus der Person viel zu verdanken hat». Man müsse auch an die «diversen Weltmeisterschaften denken, die man wegen Franz Beckenbauer gewonnen hat und die man wegen ihm austragen durfte».
Beckenbauer ist indes weiter abgetaucht. Außer der dürren Mitteilung aus dem Lager des Kaisers war nichts zu vernehmen. Immerhin wurde damit Bereitschaft gezeigt, dass Beckenbauer weitere Aussagen vor den externen DFB-Ermittlern machen werde. Bereits vor gut zwei Wochen hatte er erstmals mit den Ermittlern der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer gesprochen.
Der DFB hatte den Kaiser zuletzt mehrfach aufgefordert, aktiver an der Aufklärung mitzuwirken - vor allem nach den Enthüllungen am Dienstag. Laut DFB unterschrieb Beckenbauer vier Tage vor der WM-Vergabe eine vertragliche Vereinbarung mit dem mittlerweile lebenslang gesperrten Funktionär Jack Warner aus Trinidad und Tobago. In dem Dokument seien der Konföderation des damals stimmberechtigten Exekutivmitglieds «diverse Leistungen» von deutscher Seite zugesagt worden.
Am Mittwoch folgte das Dementi der FIFA-Skandalfigur Warner. «Ich hatte mit niemandem aus Deutschlands Organisationskomitee für die WM 2006 irgendeine Vereinbarung», sagte er bei Sport1. Er habe schon «tausend Mal gesagt, dass ich nicht mehr über meine Zeit bei der FIFA spreche. Außerdem möchte ich mich nicht am internationalen Medienzirkus beteiligen, der mich erniedrigt und verleumdet», wurde der 72-Jährige darüber hinaus zitiert.
Aufklärung ist somit von Warner nicht zu erwarten. «Meine Geschichte ist meine Geschichte und ich weigere mich, ein Teil der Menge zu sein, die Schmerzen und Verletzungen über die Leute bringt, die ich einst Freunde genannt habe», sagte er der «Bild»-Zeitung. (DPA)