Weil er genervt war von Staus und vollen Rastplätzen, schießt ein Fernfahrer aus der Eifel über Jahre hinweg auf andere Fahrzeuge. In einem Fall wurde eine Autofahrerin von einem Querschläger am Hals schwer verletzt - und der Mann wurde verurteilt. Diese Dimension haben die Sniper-Fälle aus dem beschaulichen Städtchen Ellwangen zwar nicht. Trotzdem lassen Schüsse auf bisher 24 Passanten - abgefeuert aus einem Luftdruckgewehr - die Polizei ratlos zurück. Auch das Landeskriminal-amt in Stuttgart ist inzwischen in den Fall eingebunden.
«Wir ermitteln unter anderem wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung», sagt ein Polizeisprecher. Zuletzt Ende Oktober schießt der mutmaßliche Serientäter auf einen Asylbewerber aus Syrien. Der 53-Jährige sitzt zu diesem Zeitpunkt gemütlich auf einem roten Kunststoffsofa am Marktplatz. Der Syrer lebt in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ellwangen und wird bei dem Angriff verletzt.
Laut Polizei trägt das Opfer eine «oberflächliche Hautverletzung» am Kopf davon. Einen fremdenfeindlichen Angriff schließt die Polizei bald aus. Denn: Der Fall erinnert stark an ähnliche Vorfälle im Jahr 2013 mit nahezu identischem Verlauf im selben Tatortbereich. Ist der Syrer das 24. Opfer in der Serie?
Ellwangen, Mitte Januar 2013: Ein Unbekannter gibt mit einer Luftdruckwaffe Schüsse auf Passanten ab, die über den Marktplatz laufen. Mehrere Leichtverletzte erstatten Anzeige bei der Polizei. Ein damals 34-jähriger Mann erleidet eine kleine Wunde, als er von einem Projektil am Hinterkopf getroffen wird. Drei weitere Menschen, die an Bein und Hüfte getroffen werden, kommen mit dem Schrecken und kleinen Hämatomen davon.
Der unbekannte Schütze schießt an jenem Tag auf insgesamt 22 Menschen. Doch das weiß die Polizei erst später. Weil die Beamten in dem Fall der Leichtverletzten nicht weiterkommen und ihnen Böses schwant, fordern sie die Bevölkerung auf, in ihrer Winterkleidung nach Geschossen zu suchen. «Einer fand einen Riss durch ein Geschoss in seiner Daunenjacke. Ein anderer fand ein Geschoss in der Manteltasche», erzählt ein Polizeisprecher. Beide können sich aber nicht mehr erinnern, dass sie überhaupt beschossen wurden und wo sie zum Zeitpunkt der Angriffe standen.
Die Polizei sammelt weiter Informationen. Sie reichen dann aus, um einen tatverdächtigen Mann auszumachen. Dieser wohnt in der Nähe der Tatorte. «Bei einer Durchsuchung findet die Polizei aber nichts, was den Tatvorwurf erhärtet hätte», sagt der Aalener Polizeisprecher.
Dann ist erst einmal Ruhe. An einem weiteren Tag im Jahr 2013 fallen wieder Schüsse aus einem Luftdruckgewehr, ein Passant wird getroffen, aber nicht verletzt. Dann ist wieder Ruhe - bis Ende Oktober 2015, als schließlich der Asylbewerber aus Syrien zur Zielscheibe wird. «Das ist eine Ungeheuerlichkeit. Wir haben Riesenglück, dass niemandem etwas Ernsthaftes passiert ist», betonte der 1. Bürgermeister der rund 23 500 Einwohner zählenden Kleinstadt, Volker Grab.
Die Polizei spielt den Fall nicht herunter und spricht von «viel krimineller Energie». Ein Sprecher meint: «Es gibt viele Parallelen zwischen den Fällen des Jahres 2013 und dem jüngsten». Die Schüsse seien alle aus derselben Waffengattung abgefeuert worden. Es handele sich um ein Luftdruckgewehr - zwar nicht geeignet, um jemanden umzubringen, aber dennoch gefährlich.
Nur über 18-Jährige durften solche Waffen kaufen und nur innerhalb des «befriedeten Besitztums» - also einer Wohnung oder eigenem Garten - benutzen. Wer eine solche Waffe in der Öffentlichkeit mitführe, brauche einen Waffenschein, betont die Polizei. (DPA/LSW)