Chaos und Elend hinter sich lassen und in Deutschland Fuß fassen - das wollen viele junge Flüchtlinge auch über eine Ausbildung und einen Job schaffen. Doch der Start ist oft nicht einfach. Sprachprobleme und psychische Nöte durch belastende Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht, aber auch kulturelle Unterschiede stellen die Anwärter vor große Herausforderungen. Berufsschulen und Betriebe müssen sie deshalb intensiv begleiten - und werden so manchmal auch zu einer Art Ersatzfamilie für die jungen Leute.
Diese Erfahrung hat man auch bei der Industrie- und Handelskammer Schwaben gemacht. Seit Dezember vergangenen Jahres vermittelt die Kammer jungen Leuten aus sogenannten Flüchtlingsklassen der Berufsschulen betriebliche Praktika und ebnet ihnen so den Weg in eine Ausbildung. Über das Projekt, das bundesweit als vorbildlich gilt, haben im September 55 junge Flüchtlinge eine Ausbildung begonnen. Dreh- und Angelpunkt dabei seien immer die Deutschkenntnisse, sagt Projektleiterin Josefine Steiger. Nicht nur für die späteren Prüfungen müssten die jungen Leute angemessen kommunizieren können und berufliche Fachbegriffe beherrschen.
Von den Unternehmen bekommt die IHK für das Engagement bisher gute Resonanz. Mittlerweile melden sich dort täglich Betriebe und wollen sich an dem Projekt beteiligen. Das dürfte auch daran liegen, dass die Kammer sich auf Berufe mit Fachkräftebedarf konzentriert wie Maschinen- und Anlagenführer, Konstruktions- und Zerspanungsmechaniker oder Fachkraft für den Brief- und Frachtverkehr.
Die jungen Flüchtlinge erlebt Steiger als häufig hochmotiviert: «Alle wissen: Nur über eine Ausbildung habe ich eine Chance, einen Arbeitsplatz zu finden und hierbleiben zu dürfen.» Auch dass es seit Beginn des Lehrjahres noch keine Abbrecher gibt, wertet sie als Erfolg - zumal in manchen Berufen in den ersten Wochen nach Ausbildungsbeginn viele Verträge wieder gelöst werden.
Gute Erfahrungen mit jungen Flüchtlingen hat auch die Firma Sigma Technik Service aus München gemacht. Das Unternehmen bildet derzeit vier junge Männer aus Äthiopien, Nigeria, Somalia und Irak zu Elektronikern mit Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik aus. Darunter ist auch Mati Baschir Samer, der schon 2011 aus Irak nach Deutschland kam und sich zunächst mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Jetzt, mit Mitte 20, ist er glücklich über die Chance bei Sigma.
Unterstützung bekommt der Betrieb von der Innung für Elektro- und Informationstechnik, die arbeitsbegleitende Hilfen und Deutschkurse bietet, wie Ausbildungsleiterin Alexandra Schöner sagt. Bei schulischen Problemen greift die Firma selbst den jungen Leuten mit Nachhilfeangeboten unter die Arme, zudem wird ihnen Zeit für anstehende Behördengänge eingeräumt. Ansonsten bräuchten die Männer aber relativ wenig Unterstützung und seien recht selbstständig, sagt Schöner.
Trotzdem: Ohne ein gutes Maß an sozialem Engagement der Unternehmen hätten es die jungen Leute aus Kriegs- und Krisengebieten mit ihrem häufig großen Rucksack an Problemen wohl noch deutlich schwerer. Ob der Verlust von Familienangehörigen oder traumatische Erfahrungen auf der Flucht - die Ausbilder sollten ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben, wie auch der Ausbildungsreferent des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Markus Kiss, sagt. Neuankömmlinge aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan müssten zudem mit der komplexen Welt in Deutschland erst einmal zurechtkommen. «Sie brauchen jemanden, der sie an die Hand nimmt.»
Friseurmeisterin Dilek Sahin aus München bringt da einige Erfahrungen mit: Schon früher hat sie Lehrlinge in ihrem Familienbetrieb aufgenommen, die Brüche im Lebenslauf aufwiesen oder gesundheitliche Handicaps mitbrachten. Demnächst will Sahin einer jungen Irakerin ein Praktikum ermöglichen, die seit zwei Jahren in Deutschland lebt. Geschick für den Beruf habe die Jugendliche bei einem ersten Treffen schon an den Tag gelegt, doch hapere es noch mit den Deutschkenntnissen, deshalb soll sie vorab noch einen Sprachkurs absolvieren, sagt die Friseurmeisterin. Gerade in einem Beruf mit täglichem und direktem Kundenkontakt sei das einfach unerlässlich. (DPA)