Nur noch wenig Zeit, dann steht es an: das Hammerexamen. Sechs Prüfungen à fünf Stunden, in denen der komplette Inhalt eines Jura-Studiums abgefragt werden kann. Seit über einem Jahr wälzt Marie-Therese Ziereis nun schon Paragrafen, löst Rechtsfälle und schreibt regelmäßig Probeklausuren. Auch am Wochenende. Zeit für sich und Freunde bleibt da kaum. Die Studentin der Ludwig-Maximilians-Universität in München weiß, wofür sie das macht. Wer im Staatsexamen nicht glänzt, hat später im Berufsleben schlechte Karten.
In kaum einem anderen Studienfach spielt die Examensnote eine so große Rolle. «Nur mit einem Prädikatsexamen hat man eine Chance auf bestimmte Berufe im juristischen Bereich», erklärt Ziereis.
Das baut Druck auf.
Der Leistungsdruck im Jura-Studium ist sicherlich extrem. Aber auch in vielen anderen Studiengängen haben Studierende zum Teil großen Stress. Nicht alle halten das auf Dauer aus: Der Druck kann zu Kopf- und Rückenschmerzen, zu Herz-Kreislauf-Problemen oder Depressionen führen, sagt Alfred Leurpendeur. Er hat die psychologische Beratung an der Technischen Hochschule Ingolstadt aufgebaut. In seiner Sprechstunde sitzen immer wieder Studenten, die über Einschlaf- oder Durchschlafprobleme klagen. Andere weinen vor Überforderung.
Ziereis hat hier bewusst gegengesteuert. Sie hat ihren Freiversuch im Staatsexamen im vergangenen Jahr ausgelassen. Beim Freiversuch können Studierende zur Prüfung antreten. Ob das Ergebnis zählen soll, können sie hinterher frei entscheiden. «Ich will das Staatsexamen lieber richtig anpacken als nur halb», sagt sie. Sie empfiehlt, das Studium schon ab dem ersten Semester ernst zu nehmen. Das nehme den Druck am Ende.
Aber auch Ziereis kennt Momente, in denen die Konzentration nachlässt. Dann liest sie einen Paragrafen zum fünften Mal und hat ihn immer noch nicht verstanden. In solchen Situationen hilft nur, Pause zu machen. Ein kleiner Spaziergang um den Block kann die Denkblockade lösen, rät Psychologin Hanna Feld.
Um die Balance zwischen Studium und Freizeit zu finden, bieten viele Universitäten Seminare an. Hier lernen Studenten, wie sie effizienter arbeiten. «Wichtig ist der Mix aus Sport, Schlaf, guter Ernährung und Entspannung», sagt Psychologin Feld. Sie empfiehlt autogenes Training und Yoga. Häufig bietet der Hochschulsport Kurse an. Einige Krankenkassen bezahlen auch private Workshops.
Falls Stresssymptome auftreten, sind die Experten in den psychologischen Beratungsstellen der Studentenwerke gute Ansprechpartner. Sollte es zu dauerhaften psychosomatischen Beschwerden, also zu Leiden ohne körperliche Ursache kommen, ist eine fundierte ärztliche und psychologische Diagnose notwendig.
Die Lern- und Prüfungsphasen sind jedoch absolute Ausnahmesituationen, erklärt Leurpendeur. Umso wichtiger ist es, diese Zeit im Voraus gut zu planen. Er macht Hoffnung und rät zu positiven Gedanken: «Den Studenten sollte bewusst sein: All der Stress hat auch ein Ende.» Mit dem Blick nach vorne lässt sich auch die längste Durststrecke überwinden. (DPA/TMN)